V'20 Filmpreise
WIENER FILMPREIS
Jury: Rapperin und Poetry-Slammerin Yasmo, Journalistin Renata Schmidtkunz (ORF) sowie Kira Kirsch, künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin von brut Wien.
Der Wiener Filmpreis, eine von der Stadt Wien gestiftete und im Rahmen der Viennale vergebene Auszeichnung, gilt einem aktuellen österreichischen Langfilm, der im vergangenen Jahr zur Aufführung gelangte. Die Dotierung dieses Preises besteht aus einem Geldbetrag, der von Seiten der Kulturabteilung der Stadt zur Verfügung gestellt wird, einer monetären Unterstützung vom Hotel The Harmonie Vienna sowie großzügigen Sachwerten, gestiftet von den Sponsoren BLAUTÖNE und viennaFX. Beim Wiener Filmpreis werden zwei Preise vergeben: der Preis für den besten österreichischen Film und der Spezialpreis der Jury. Jede der beiden Auszeichnungen ist mit Geldspenden und Sachwerten dotiert.
Bester österreichischer Film
EPICENTRO
Hubert Sauper, Österreich/Frankreich 2020

Hubert Sauper ist es in gleichermaßen poetischer wie politisch-analytischer Art gelungen, uns Begegnungen mit Menschen, im Besonderen mit Kindern der kubanischen Hauptstadt Havanna zu ermöglichen. Der Film verwebt den Moment, in dem die Bilder Laufen lernten, mit den Visionen der kleinen Prophetinnen und Propheten - wie Sauper die Kinder von Havanna nennt. Dabei ist er sowohl mit der Kamera als auch mit dem Erzählstrang immer auf Augenhöhe mit seinen selbstbewussten, lebensfroh und lebensklugen ProtagonistInnen. Hubert Sauper nähert sich allen Charakteren in solidarischer Zärtlichkeit und macht so die von den Kindern geäußerten Utopien zu verwirklichbaren Möglichkeiten. Das stimmt uns optimistisch.
Spezialpreis der Jury
THE TROUBLE WITH BEING BORN
Sandra Wollner, Österreich/Deutschland 2020

In ihrem Film THE TROUBLE WITH BEING BORN nimmt Sandra Wollner in ästhetisch äußerst gelungener Art ein Thema auf, das unsere Gesellschaften in den nächsten Jahrzehnten sehr beschäftigen wird. Der Mensch erschafft sich in Form von Androiden Projektionsflächen, die alle Wünsche erfüllen und jenseits der Menschenrechte existieren. Die bisher gültigen moralischen Übereinkünfte werden obsolet.
Die Macht der Bilder und das verstörende Narrativ dieses Filmes haben uns ambivalent zurückgelassen. Sie zwingen uns alle, in die Auseinandersetzung mit den eigenen ethischen Vorstellungen über Liebe und Herrschaft, der Zukunft der Menschenrechte im Zeitalter der künstlichen Intelligenz und dem tiefen Graben zwischen Erinnerung und Projektion zu gehen. Ob wir wollen oder nicht.
PREIS DER STANDARD-PUBLIKUMSJURY
Jury: Hildegrund Amanshauser, Susanne Jäger, Iona Domenica Zamfirescu
„Der Standard“ organisiert den Preis der Standard-Publikumsjury. Die Juror*innen wählen aus den Festivalbeiträgen einen Film aus, der noch keinen Verleih in Österreich hat. Findet der ausgezeichnete Film in der Folge einen Vertrieb, unterstützt „Der Standard“ den Filmstart mit kostenlosem Anzeigenraum in der Zeitung.
SELVA TRÁGICA
Yulene Olaizola, Mexiko/Frankreich/Kolumbien 2020

Von der ersten bis zur letzten Szene tauchen wir in den Regenwald, seine Tierwelt und drückende Hitze ein. An einer Flussgrenze zwischen Mexiko und Belize flieht eine Frau vor einem britischen Gutsherrn und findet sich in einer Gruppe von mexikanischen Kautschuk-Arbeitern wieder. Doch bevor sich ihre Unterdrückung fortsetzt, beginnen die magischen Kräfte des Waldes zu wirken.
Die Jury überzeugte die Geschichte, die einen Mayamythos mit der Geschichte entkommener Sklavinnen verschränkt. Sie war begeistert von der eindringlichen Bildsprache und dem großartigen Sound des Films SELVA TRÁGICA von Yulene Olaizola. SELVA TRÁGICA erzeugt von Anfang bis zum Ende einen pulsierenden Sog, der von der Gier des Menschen, vom Tod und der Schönheit und Grausamkeit des Regenwalds erzählt.
FIPRESCI PREIS
Jury: Hossein Eidizadeh, Barbara Lorey de Lacharriere, Pia Reiser
FIPRESCI, der Internationale Verband der Filmkritiker*innen, wurde 1930 gegründet. Der Verband hat sich der Pflege journalistischer Ethik verschrieben und vertritt die professionellen Interessen seiner Mitglieder. Die Mitglieder der FIPRESCI kommen aus aller Welt und finden sich in kleinen Jurys auf zahlreichen Filmfestivals ein, um den Preis des Internationalen Filmkritiker*innenverbandes zu vergeben. Meist wählen sie dabei – wie bei der Viennale – aus einer Reihe von Erstlingswerken junger Regisseur*innen.
ZABIJ TO I WYJEDZ Z TEGO MIASTA
Mariusz Wilczyński, Polen 2019

Der FIPRESCI-Preis geht an ZABIJ TO I WYJEDZ Z TEGO MIASTA von Mariusz Wilczynski für die bestechend phantasievolle und rohe Verwendung von Animation, um eine persönliche Geschichte zu erzählen, die auf dem schmalen Grat zwischen Alpträumen, Träumen und Splittern von Kindheitserinnerungen wandelt. Beunruhigend, kompromisslos und rätselhaft zugleich. Eine eindringliche Story, die tief in die Psyche, Geschichte und Kultur Polens eindringt und es dennoch schafft, sich in eine universelle Erzählung über Verlust, Erinnerung, Kindheit und Liebe zu verwandeln.
Erste Bank MehrWERT-Filmpreis
Jury: Silvia Bohrn, Boris Manner, Andreas Ungerböck
Die Erste Bank, langjähriger Hauptsponsor der Viennale, vergibt heuer bereits zum 10. Mal den MehrWERT-Filmpreis. Der MehrWERT-Filmpreis ermöglicht einen Auf- enthalt in New York, verbunden mit einer Präsentation der Arbeiten im New Yorker Anthology Film Archives. Aufgrund der weltweit schwierigen Reise- und Aufenthaltsbedingungen wird 2020 der Mehr- WERT-Filmpreis als Geldpreis ausgelobt.
ZAHO ZAY
Georg Tiller, Maéva Ranaïvojaona, Österreich, Frankreich, Madagaskar 2020

ZAHO ZAY ist eine präzise, komplexe und bewusste filmische Meditation über die conditio humana. Die Protagonistin, eine Wärterin in einem madegassischen Gefängnis, phantasiert die Rückkehr ihres eigenen Vaters, der sie als Kind verlassen hat. Zwischen den von ihr beaufsichtigten demütigenden Ritualen des täglichen Appels der Gefangenen, dem Rasieren der Köpfe der Verurteilten und dem Verteilen des Essens, erträumt sie einen mythischen Vater, der als Gesetzloser unerreichbar durch eine Biographie an Verbrechen wandert und dessen Taten weder durch Vernunft noch durch Emotion bestimmt werden. Einzig die Würfel lässt er über den Fortgang seines Handelns entscheiden. Diese Dialektik von Freiheit und Gefangenschaft, Zufall und Ordnung in der Erzählung des Films wird auch in dessen anderen Ebenen zum Angelpunkt von dessen Konstruktion. Scheint am Beginn die Stimme der Erzählerin, die in ihrem Vortrag den Text mehr und mehr in ein Gedicht transformiert, der Autorin des Drehbuchs zu gehören, verschiebt sich diese im Laufe der Zeit zur Protagonistin um dann im letzten Teil des Filmes mit dessen Bildern zu einem halluzinatorischen Poem zu werden. Auch der filmische Blick oszilliert zwischen dokumentarischen und inszenierten Positionen. Blitzt in den Sequenzen im Gefängnishof noch ein kolonialer Blick der Filmemacher auf, verschwindet dieser in den traumhaften Erscheinungen des Vaters. Diese Bewegungen zwischen den unterschiedlichen Repräsentationsformen entwickeln sich zu einem ununterscheidbaren Ganzen. Der langsame Rhythmus, der genaue Schnitt und das perfekte Ineinandergreifen von scheinbar inkohärenten Elementen transzendieren ZAHO ZAY zu etwas Unverwechselbarem, zu einem Film der jenseits der Gattungen Spielfilm oder Dokumentation angesiedelt ist.
Die Erste Bank MehrWERT-Filmpreisanerkennung
BITTE WARTEN
Pavel Cuzuioc, Österreich 2020

BITTE WARTEN ist ein leiser Film, der sich der Thematik der Kommunikationstechnologie humorvoll und klug widmet. Wir begleiten die Telekommunikations-Monteure bei ihren Besuchen in Haushalte: am Land, meist in kleinen Dörfern und reisen so in einige, an die EU grenzende östliche, Nachbarländer. Wir erhalten Einblick in persönliche Geschichten, in andere Lebensrealitäten. Als verbindend zeigt sich, dass Telekommunikation immer auch eine Kette von nicht enden wollenden Absurditäten ist, denen wir alle ausgeliefert sind.
Ein wiederkehrendes Thema im Film ist die Kritik der Menschen am schlechten Programm, das man ihnen verkauft. Dieser Film gehört definitiv nicht dazu.