V'23 Festivalinfo

19. BIS 31. OKTOBER

Die 61. Viennale feiert ihren offiziellen Abschluss heute Dienstag mit der Gala-Vorführung des Films YANNICK von Quentin Dupieux.

Viennale Zentrale - Schild

Das diesjährige Festival darf als ein besonders erfolgreiches bezeichnet werden. Schon ein außergewöhnlich gut laufender Vorverkauf deutete an, was sich zu unserer großen Freude im Verlauf der 13 Festivaltage bewahrheiten sollte: viele ausverkaufte Vorstellungen nicht nur bei sogenannten „größeren“ Filmen, zahlreiche hervorragend besuchte Screenings der kleineren Sonderprogramme sorgten nicht nur für begeisterte Stimmung in den Kinosälen, sondern drückten sich auch in sehr erfreulichen Besucherzahlen aus.

75.300 Menschen besuchten dieses Jahr Filmvorführungen der Viennale, was einer Auslastung von 76% entspricht.

 „Wir haben das Festival mit einem klaren Bewusstsein für die dramatischen Ereignisse begonnen, die die Welt um uns herum erschüttern und bedrohen“, reflektiert Viennale Direktorin Eva Sangiorgi die vergangenen zwei Wochen. „Wir haben uns die Frage gestellt, wie wir aus unserer privilegierten Perspektive mit dieser Katastrophe umgehen können. 13 Tage lang waren die Kinosäle voll - bei Vorführungen, Begegnungen, Gesprächen und Diskussionen. Wer die Aktivitäten der Viennale besuchte, konnte Zeuge außergewöhnlich hoher und begeisterter Beteiligung des Publikums werden. Dies ist unser Ort des Friedens und der Reflexion, zu dem ich am Eröffnungstag aufgerufen habe - ein kleiner, durchaus verantwortungsvoller Beitrag in der heutigen Zeit.“

V23_Eröffnung Gartenbau

Die 61. Viennale hatte wieder jede Menge Highlights zu bieten. Darunter war die Eröffnungsgala in Anwesenheit der Produzentin und der Hauptdarstellerin des hoch politischen Eröffnungsfilms MAGYARÁZAT MINDENRE (EXPLANATION FOR EVERYTHING), Júlia Berkes und Lilla Kizlinger

Obwohl die große französische Schauspielerin Catherine Deneuve ihren Besuch in Wien wegen einer Erkrankung kurzfristig absagen musste, war das Gartenbaukino anlässlich des Screenings des Raúl Ruiz Films LE TEMPS RETROUVE, in dem sie die Hauptrolle spielte, komplett ausverkauft – mit ein Zeichen dafür, dass die gemeinsame Retrospektive von Viennale und Österreichischem Filmmuseum zu RAÚL RUIZ sehr gut aufgenommen wurde.

Ebenfalls im Gartenbaukino fand am vorletzten Abend des Festivals eine ganz spezielle Gala statt: Anlässlich des 100. Geburtstags des langjährigen und äußerst beliebten Viennale Präsidenten Eric Pleskow, überreichte seine Tochter Michelle Abt der Viennale Direktorin Eva Sangiorgi unter großem Beifall des Publikums jenen Oscar als Geschenk ans Festival, den Eric Pleskow für den Film AMADEUS im Jahr 1985 gewonnen hat.

Wie erwartet wurden die großen Hits des Festivaljahres begeistert aufgenommen und sorgten für ausverkaufte Säle und viele Diskussionen, darunter POOR THINGS von Yorgos Lanthimos, ANATOMIE D’UNE CHUTE von Justine Triet, PRISCILLA von Sofia Coppola oder Michael Manns FERRARI, um nur einige zu nennen.

Es ist schön zu sehen, dass auch die als „kleiner“ empfundenen Programme sehr gut vom Wiener Publikum angenommen wurden: beide Historiografien (JAMES BALDWIN – DER SCHRIFTSTELLER VOR DER KAMERA wie auch DAVID SCHICKELE – ZWISCHEN USA UND NIGERIA) übertrafen die Erwartungen bei weitem und hatten hohe Auslastungszahlen. Dasselbe trifft auf KEINE ANGST zu, das Programm des Filmarchiv Austria, das sich dem österreichischen Kino der 80er Jahre annahm und mit dem Film ANGST von Gerald Kargl, der seit 1983 nicht mehr im Kino zu sehen war, einen echten heimischen Klassiker in einer neurestaurierten Fassung wieder auf die Leinwand brachte.

Die Viennale hat den Shorts immer schon große Wertschätzung entgegengebracht. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass der Zuspruch zu den Kurzfilmen noch nie so groß war wie bei der diesjährigen Viennale – ein weiterer Anlass, die Präsentation dieses Formats auch in Zukunft zu pflegen und auszubauen.

Gartenbau_JessicaHausner__ClubZero

Es ist bereits Tradition, dass der österreichische Film im Hauptprogramm des Festivals prominent vertreten ist. Das war auch dieses Jahr der Fall. Große Premieren von Filmen wie Nikolaus Geyrhalters STILLSTAND, Jessica Hausners CLUB ZERO, Sudabeh Mortezais EUROPA, Adrian Goigingers RICKERL, aber auch von ADENTRO MÍO ESTOY BAILANDO von Leandro Koch und Paloma Schachmann oder DIE ÄNGSTLICHE VERKEHRSTEILNEHMERIN von Martha Mechow zogen verstärkt Aufmerksamkeit auf sich. 

V'23 Trailer

Pedro Costa

(Portugal/Österreich 2023, 2 min)

Ein Abgesang vor dem Hintergrund einer feurigen Apokalypse? Oder bestrahlt nur der Vollmond am dramatisch bewölkten Nachthimmel den Kopf der Sängerin wie mit einer Gloriole? Finster ist es und düster ist das Lied, das sie uns singt: von den melancholischen Abenden, von der Unerträglichkeit des Elends, davon, wie schnell das Leben verworfen ist. Vor allem aber: dass es so nicht sein muss! Der Text ist von Bert Brecht, die Melodie von Hanns Eisler, die Stimme gehört Elizabeth Pinard, die Form hat Pedro Costa erdacht. Und der Schauder, der durch den Körper fährt, ist allein unsriger. 

"Pedro Costa ist ein unermüdlich forschender Filmemacher. Diese kurze Arbeit, die unser diesjähriger Festivaltrailer ist, stellt sowohl eine politische Geste als auch ein ästhetisches Experiment dar - und wird vielleicht einmal Teil eines seiner zukünftigen Werke werden." So Viennale Direktorin Eva Sangiorgi, und weiter: "Ein nachhaltig beeindruckender Film, der von der kontinuierlichen Wandlungskraft des Kinos Zeugnis ablegt."

 

V'23 Sujets

Das diesjährige Sujet dreht sich zur Gänze um das Thema LICHT. Das Licht macht Details sichtbar und (be)greifbar, bringt eine Figur und deren Form zum Vorschein, legt jedoch gleichzeitig auch unterschiedliche Interpretationen nahe, die sich wandeln, je aufmerksamer das Bild betrachtet wird. Das Licht durchdringt und umspielt die organische Materie und betont ihre Veränderlichkeit. Das Material für dieses Sujet kommt ursprünglich aus der Welt der Wissenschaft, der Forschung – was erneut zeigt, welche Schönheit die Begegnung zwischen Technologie und lebenden Formen zutage fördern kann. Licht, Form, Forschung, Technologie und Leben – das sind auch Schlüsselbegriffe für die Welt des Kinos. Indem sie all seine analytische Kraft auf den Punkt bringt und seine Wandelbarkeit deutlich macht, steht diese Darstellung sinnbildlich für das Offenbarungspotenzial, das dem Medium Film zugrunde liegt.

V'23 Filmpreise

WIENER FILMPREIS

Der Wiener Filmpreis, eine von der Stadt Wien gestiftete und im Rahmen der Viennale vergebene Auszeichnung, gilt einem aktuellen österreichischen Langfilm, der im vergangenen Jahr zur Aufführung gelangte. Die Dotierung dieses Preises besteht aus einem Geldbetrag, der vonseiten der Kulturabteilung der Stadt zur Verfügung gestellt wird, einer monetären Unterstützung vom Hotel The Harmonie Vienna sowie großzügigen Sachpreisen, gestiftet von JACQUES LEMANS. Neben dem Preis für den besten österreichischen Film wird beim Wiener Filmpreis auch der Spezialpreis der Jury vergeben. Jede der beiden Auszeichnungen ist mit Geldspenden und Sachwerten dotiert.

Jury: Thea Ehre (Schauspielerin), LYLIT (Sängerin und Komponistin), Artemis Vakianis (kaufmännische Geschäftsführerin der Wiener Festwochen)

Bester österreichischer Film:
SIGNS OF WAR, Juri Rechinsky & Pierre Crom, Ukraine/Österreich 2022

Jurybegründung:
Der Hauptpreis geht an einen Film, der uns alle drei in seiner Direktheit und Wahrheit zutiefst berührt. Seine großartigen Bilder werden nicht nur auf der Leinwand, sondern auch in unseren Herzen lebendig. Inhaltlich besticht er durch zeitliche und politische Relevanz und macht uns dabei sprachlos. Aufgrund seiner bedrückenden Aktualität und seiner ergreifenden Schlichtheit haben wir uns einstimmig dazu entschieden, dass der heurige Hauptpreis nur an dieses Werk gehen kann.

V23_Europa
EUROPA

Spezialpreis der Jury:
EUROPA, Sudabeh Mortezai, Österreich/Vereinigtes Königreich 2023

Jurybegründung:
Den Spezialpreis der Jury verleihen wir an einen Film, der uns Mitteleuropäer:innen zurecht auf schmerzvolle und schonungslose Art und Weise mit unseren Privilegien konfrontiert, die wir sonst nur allzu gern und gekonnt verdrängen wollen. Die schauspielerische Leistung der Protagonistin ist herausragend und muss definitiv auch hier Erwähnung finden.

VIENNALE-PREIS DER STANDARD LESER:INNEN-JURY

DER STANDARD organisiert auch dieses Jahr wieder den Preis der Standard-Publikumsjury. Die Juror:innen wählen aus den Festivalbeiträgen einen Film aus, der noch keinen Verleih in Österreich hat. Findet der ausgezeichnete Film in der Folge einen Vertrieb, unterstützt DER STANDARD den Filmstart mit kostenlosem Anzeigenraum in der Zeitung.

Jury: Nadja Polzer, Jakob Thaller, Veronika Verzetnitsch

Der VIENNALE-PREIS DER STANDARD LESER:INNEN-JURY geht an:


HOKAGE, Tsukamoto Shinya, Japan 2023

Image of movie Hokage
HOKAGE

Jürybegründung:
HOKAGE (SHADOW OF FIRE) von Tsukamoto Shinya ist ein Film als Mahnmal, der einen bleibenden Eindruck hinterlässt - genauso wie auch die Folgen von Kriegen nach Kriegsende weiterwirken. Der Regisseur spielt zwar mit verschiedenen Genres, für die Darstellung des Horrors muss er sich aber nur der Realität der Nachkriegszeit bedienen. Die Bildsprache und die rohe Erzählweise tragen die beklemmende Atmosphäre und das Eingeschlossensein der Protagonisten. Vor dem Hintergrund des aktuellen Weltgeschehens erinnert der Film daran, dass der Krieg auch dann nicht zu Ende ist, wenn die Schlachten an den Fronten längst geschlagen wurden.

Die Standard Leser:innen-Jury möchte darüber hinaus eine lobende Erwähnung für folgenden Film aussprechen:

EL ECO, Tatiana Huezo, Mexiko/Deutschland 2023

FIPRESCI PREIS (PREIS DER INTERNATIONALEN FILMKRITIK)

FIPRESCI, der Internationale Verband der Filmkritiker:innen, wurde 1930 gegründet. Der Verband hat sich der Pflege journalistischer Ethik verschrieben und vertritt die professionellen Interessen seiner Mitglieder. Die Mitglieder der FIPRESCI kommen aus aller Welt und finden sich in kleinen Jurys auf zahlreichen Filmfestivals ein, um den Preis des Internationalen Filmkritikerverbandes zu vergeben. Meist wählen sie dabei – wie bei der Viennale – aus einer Reihe von ersten und zweiten Features junger Filmemacher:innen.

Jury: Nachum Mochiach, Giuseppe Di Salvatore, Barbara Gasser

Der FIPRESCI-Preis geht an:

SAVVUSANNA SÕSARAD (SMOKE SAUNA SISTERHOOD), Anna Hints, Estland/Frankreich/Island 2023 

Image of movie Savvusanna sõsarad
SAVVUSANNA SÕSARAD

Jurybegründung:
Die Frauen-Saunatreffen, zu denen wir Zugang haben, sind weit mehr als bloße Geständnisse: Sie lassen Geschichten zirkulieren und an Gefühlen teilhaben. Durch außergewöhnliche Kameraarbeit und eine in Filmen selten erreichte Intimität nähert sich Anna Hints sensiblen Themen auf organische Weise; eine Weise, die es wagt, einerseits Traumata offenzulegen und andererseits ein Empowerment zu bewirken, das hoch ansteckend ist. Dieser Film, diese filmische Schwesternschaft vermag viel - nicht zuletzt, Tabus zu brechen und uns alle mutiger zu machen.

ERSTE BANK FILMPREIS – Vermehrt Schönes!

Zum 13. Mal wird heuer der von der Erste Bank initiierte und gestiftete Erste Bank Filmpreis in Zusammenarbeit mit der Viennale, dem Deutschen Haus at NYU und dem Anthology Film Archives vergeben. Der Erste Bank Filmpreis wird unter den österreichischen Filmproduktionen, die im Programm der Viennale laufen, über eine unabhängige Jury vergeben. Der Filmpreis ermöglicht einen Aufenthalt in New York City einschließlich einer Werkpräsentation im Anthology Film Archives.

Jury: Silvia Bohrn (Kulturmanagerin), Nicolas Mahler (Comiczeichner), Boris Manner (Kurator und Philosoph), Jed Rapfogel (Kurator Anthology Film Archives) 

Die Jury des Erste Bank Filmpreises hat beschlossen den Preis zwei Filmen zu widmen.Der Erste Bank Filmpreis geht an:

DIE ÄNGSTLICHE VERKEHRSTEILNEHMERIN, Martha Mechow, Österreich/Deutschland 2023 

DIE ÄNGSTLICHE VERKEHRSTEILNEHMERIN ist außergewöhnlich: ein Film, der sowohl in intellektueller als auch in formaler Hinsicht eine Entdeckungsreise darstellt.

Die ängstliche Verkehrsteilnehmerin
DIE ÄNGSTLICHE VERKEHRSTEILNEHMERIN

Vordergründig ist es die Geschichte einer jungen Frau, Flippa. Sie findet ihre Schwester Furia auf Sardinien, in einer feministischen Kommune von jungen Frauen. Diese versuchen, Identitäten und Beziehungen außerhalb der Grenzen konventioneller sozialer Strukturen zu verwirklichen. DIE ÄNGSTLICHE VERKEHRSTEILNEHMERIN sprengt die Vorstellungen, wie Filme entstehen und aufgebaut sein sollen. In einem ungeschliffenen und antinaturalistischen Stil kombiniert Mechow Elemente des Kinos, des Theaters und der Literatur: Improvisation, poetische Sprache, freimütige philosophische Betrachtungen, hemmungslose Höhenflüge und sogar eine eingehende Analyse der Romane von Jane Austen. Diese divergierenden Elemente gewinnen durch den thematischen Ernst von Losing Faith Kohärenz.

Der Film ist von der Überzeugung beseelt, dass die westliche Gesellschaft dringend einer Transformation bedarf, er ist sich aber auch der Möglichkeit bewusst, in die Falle einer selbstbezüglichen Selbstgerechtigkeit zu tappen - ein Thema, das den Kern unserer heutigen Zeit trifft.

Der Erste Bank Filmpreis geht an:

RICKERL, Adrian Goiginger, Österreich/Deutschland 2023 

Image of movie Rickerl
RICKERL

Adrian Goiginger schildert in RICKERL den Alltag eines talentierten und erfolglosen Musikers und betreibt damit zugleich eine Analyse der Wiener Seele. Gekonnt verkörpert Multitalent Voodoo Jürgens die Hauptfigur dieses Filmes, in den auch biographische Elemente des Singer-Songwriters verwoben wurden. Der triste Alltag des Protagonisten zwischen Arbeitsamt und Kündigungen wird nur durch Besuche seines von ihm getrennt lebenden Sohnes und einer launigen Runde in seinem Stammbeisl erträglich gemacht. Goiginger gelingt es in dieser Komödie, das Bild eines typischen Wiener Charakters zu entwickeln, ohne dabei in Klischees zu verfallen. Zwischen Todessehnsucht und schöpferischen Eingebungen pendelnd, stolpert er kurz vor dem Erreichen eines Zieles immer wieder über sich selbst.

Der Film berührt durch die authentische Darstellung der Hauptfigur, wirft einen ethnologischen Blick in das Wiener Vorstadtmilieu und zeigt dieses als untergehende Kultur.

 

V'23 Rahmenprogramm

GESPRÄCH MIT LISANDRO ALONSO, Kunsthalle Wien

Knapp 14.000 Besucher:innen fanden den Weg in die Viennale Zentrale, um zur Musik von DJs wie Lars Eidinger oder Rosa Pistola zu tanzen, den spannenden Ausführungen und Talks von Filmemacher:innen wie Lisandro AlonsoCatherine BreillatJennifer Reeder, Claire SimonMartha Mechow oder Radu Jude zuzuhören und bei einem Drink in der Viennale Campari Lounge ausgewählten Filmemacher:innen und interessanten Persönlichkeiten beim Auflegen ihrer Lieblingsmusik zu lauschen.