UNE MAISON À PRAGUE

Stan Neumanns neuer Film beschäftigt sich mit einem ganz besonderen Haus im dichtbesiedelten Arbeiterviertel Zizkov in Prag, einem Viertel, das vor der "Sanierung" eine Bastion der revolutionären Tradition war. Vier Generationen der Familie Neumann lebten in diesem Haus, das Stanislav Konstantin Neumann, der Urgroßvater des Regisseurs, ein Dichter, Anarchist und einer der Gründer der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei und der Nation schlechthin, 1895 gekauft hatte. Sein gleichnamiger Sohn war ein über die Grenzen der Tschechoslowakei hinaus bekannter Schauspieler und Schriftsteller, der vor allem durch sein Gedicht "Laska" ("Liebe") berühmt wurde, das er Josef Stalin widmete. In jenen Zeiten wird das Haus als "Denkmal" der tschechoslowakischen kommunistischen Bewegung betrachtet. Heute hingegen ist es ganz einfach nur noch das älteste Haus im Viertel. Die Geschichte hat in der Zwischenzeit ihren Lauf genommen, von der Entstalinisierung über den Prager Frühling bis hin zum Ende des kommunistischen Regimes und darüber hinaus. Symbolhaft für diese Veränderungen steht der Garten des Hauses. Er wurde zunächst von der Regierung enteignet und dem benachbarten Kindergarten zugeteilt. Später wurde er der Familie Neumann wieder zurückgegeben, aber mitsamt einer Trennmauer, die der Firma gehört, die sie gebaut hat. Die Neumanns müssen erst den Ausgang eines Prozesses abwarten, um Besitzer auch der Trennmauer zu werden und endlich wieder frei in ihrem eigenen Garten herumgehen zu dürfen. 100 Jahre Geschichte, die Geschichte einer Nation, ihrer Funktionäre, des Aufstiegs und Zerfalls des kommunistischen Regimes, aber zugleich auch die Geschichte der Familie Neumann, mit Familienstreitigkeiten, Trennungen, Scheidungen und wirtschaftlichen Problemen. Es zeigt sich wieder einmal, dass es beinahe unmöglich ist, private und "öffentliche" Geschichte zu trennen. Das "Haus in Prag" wird zur Bühne, auf der sich das Theater der Erinnerung abspielt.