LES DESTINEES SENTIMENTALES

Assayas' Film ist eine Erzählung von den Selbstzweifeln eines protestantischen Geistlichen, der der Liebe wegen sein altes Leben hinter sich lässt, das ihn aber doch, Jahre später, einholt. Assayas gönnt sich in Les destinees sentimentales keine Sentimentalität, und er versucht entschieden nicht, die an großen Melodramen überreiche Kinogeschichte bilderstürmerisch zu übertreffen, im Gegenteil - sein Film ist eine Übung in Demut, in formaler Zurückhaltung, eine Reifeprüfung, wenn man will: Charles Berling, Isabelle Huppert und Emmanuelle Beart brillieren im Rückzug ins Introvertierte, und Assayas' faktische Bilder von der Arbeit in einer Porzellanfabrik, an der Schönheit des Fragilen und Alltäglichen, bestätigen den Realismus, die Zerbrechlichkeit dieser Erzählung. Eine immense Traurigkeit lebt in diesem Film, eine Melancholie, die alles Pathos und alle Kostümrauschträume wie von selbst abschüttelt. (Stefan Grissemann)
Es ist die Sorgfalt, mit der hier die Dinge ins rechte Licht gerückt werden, die einen immer wieder gefangen nimmt. Oder die Größe der historischen Landschaft, die Assayas mit oft wuchtig ausholenden, dann wieder fein getupften Pinselstrichen malt, nach einem Roman von Jacques Chardonne: Die Geschichte einer Porzellan-Dynastie in Limoges, von Anfang des letzten Jahrhunderts bis in die dreißiger Jahre, Kapitalisten und Arbeiter, Pflicht und Liebe. Nicht zuletzt aber sind es die Schauspieler, allen voran Emmanuelle Beart, die nichts weiter ist als eine wunderbare, verständnisvolle Ehefrau - aber was heißt da nichts weiter, das ist ja genau der Punkt: So wie sie ihr modernes, starkes Frauen- und Schauspielerinnen-Ego hier zurücknehmen kann, um einfach nur von innen heraus zu strahlen und zum Zentrum des Films zu werden - das ist dann doch gewagt und modern. (Tobias Kniebe)