DUELLE

In den 40 Tagen zwischen dem letzten Neumond des Winters und dem ersten Vollmond des Frühlings dürfen die unsterblichen Feen der Sonne und die Gespenster des Mondes menschliche Gestalt annehmen. Die Sonnengöttin Viva und die Mondgöttin Leni kämpfen um den Besitz eines magischen Diamanten, der ihnen über die Frist hinaus irdische Existenz verleiht, den Sterblichen dagegen nach kurzer Euphorie qualvollen Tod bringt. Die eine ist sonnenblond, lebt vom Licht und ist im Dunkeln verwundbar. Die andere ist schwarz und verdüstert und nur im Dunkeln mächtig. Sie spinnen Netze von Intrigen und umkreisen wie zwei Gangsterbosse die Figuren, um sie für ihre Ziele zu benutzen. Rivettes Kino-Universum beginnt wie eine klassische Detektivgeschichte, mutet dann wie eine von Cocteau, Lewis Carroll, Proust und Méliès inspirierte überwirkliche Agentenstory an und weitet sich schließlich aus zu einem labyrinthischen Reigen, in dem nichts sicher ist, in dem jede Kamerabewegung die Beziehungen der Figuren untereinander in ein neues schillerndes Licht taucht, in dem das Geheimnis der Töchter des Feuers und der Töchter von Paris ungelöst bleibt. Alle vertrauten Schauplätze sind in eine Aura des Unheimlichen getaucht, werden zu Stätten des Magischen. Die «phantastische Kriminalkomödie» so der Untertitel spielt an rituellen Orten; das sind Originalschauplätze wie ein alter Hotelpalast und die Pferderennbahn von Vincennes, ein tropisches Aquarium und ein Straßencafé, der Botanische Garten, die Métro, ein Dancing. Hier finden sich in der Mitte des Films alle Personen ein. Die Konfrontation der beiden Göttinnen gipfelt schließlich unter Blitz, Donner und zerspringenden Spiegeln in der Herausforderung zum einzigartigen Schluss-Duell. Im Garten der Wolken wollen sie sich treffen. (Roland Barthes, in: «Die Lust am Text»)