Das Kino des Jacques Rivette

La RELIGIEUSE

Nonne
Jacques Rivette
FRA 1965
140 min
V'02

In Rivettes Verfilmung des im 18. Jahrhundert angesiedelten Romans von Diderot erscheint der abgeschlossene Raum des Klosters als gefängnisartiger Experimentierkäfig, in dem psychische Regungen mit peinlicher Genauigkeit sichtbar werden. Rivette verdoppelt gleichsam mit seiner stets präsenten Kamera den Blick der Kontrollinstanzen und erreicht dadurch hohe atmosphärische Spannung. Obwohl es dem Film weniger um eine Denunziation des Klosterlebens, sondern vielmehr um neue Formen dramaturgischer Entfaltung und Verdichtung geht, wurde er in Frankreich nach Protesten zunächst von der Zensur verboten. In den katholischen Kreisen Frankreichs erregten die Dreharbeiten zu Suzanne Simonin aufs Heftigste die Gemüter. Ein Stadtrat der Zentrumspartei, Frédéric Dupont, sprach von einer «wirklichen Diffamierung der französischen Nonnen». An den Produzenten Georges de Beauregard wurden Warnungen gerichtet. Dennoch hatte Jacques Rivette bereits im Jahre 1963 im Studio des Champs-Elysées ein Stück auf die Bühne gebracht, einen Auszug aus der «Nonne» von Jean Gruault, der das Stück, nachdem er den Film gesehen hatte, umschrieb, ohne dass dies auch nur den geringsten Protest provoziert hätte. Die Polemik um den Film nahm jedoch enorme Ausmaße an. Drei Schwesternvereinigungen unterschrieben Protestnoten. Im März 1966 gab die beratende Filmkontrollkommission Suzanne Simonin einen positiven Bescheid, mit dem Verbot für Zuschauer unter 18 Jahren. Aber Yvon Bourges, Staatssekretär im Informationsministerium, beschloss das vollständige Verbot des Films. Eine einzige Vorführung bei den Filmfestspielen von Cannes wurde erlaubt. Dieses Verbot entfesselte vehemente Stellungnahmen dafür und vor allem dagegen, und Georges de Beauregard veröffentlichte ein Manifest mit dem Titel «Des 1789», um 1.789 Unterschriften für den Film zu sammeln. Die Affäre kam bis vor die Nationalversammlung, wo Bourges Fragen beantwortete, ohne dass es eine Aussprache gegeben hätte. Georges de Beauregard und Jacques Rivette starteten eine Erklärungskampagne. Und schließlich die Zeit verging annullierte das Verwaltungsgericht, das einen entsprechenden Antrag vorliegen hatte, 1967 die ministerielle Entscheidung vom 30. März 1966. Von Neuem der Kontrollkommission und anschließend Georges Gorse, dem neuen Informationsminister, zur Genehmigung vorgelegt, wird der Film schließlich freigegeben und läuft während des Sommers 1967 in Paris still und leise an. Da stellt man fest, dass es keinerlei Skandal gab. La religieuse, «Le Monde», 21. März 1977. Deutsch erstmals in Jan Paaz, Sabine Bubeck, «Jacques Rivette Labyrinthe» (Revue CICIM, Nr. 33, Juni 1991).

Credits
  • Anna Karina - Suzanne Simonin
  • Micheline Presle - Madame de Moni
  • Francine Bergé - Schwester Christine
  • Liselotte Pulver - Madame de Chelles
  • Francisco Rabal - Dom Morel
  • Christiane Lénier - Madame Simonin
Rome-Paris-Films (Georges de Beauregard)
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