Capturing The Friedmans

Thanksgiving, 1987. Durch Zufall fällt der Polizei eine Postsendung mit kinderpornografischem Inhalt in die Hände. Adressiert ist sie an den angesehenen Lehrer und Vater dreier Söhne, Arnold Friedman, der in dem kleinen, verschlafenen Ort Great Neck auf Long Island gemeinsam mit seiner Familie ein unauffälliges, vollkommen durchschnittliches Dasein führt. Die Polizei stellt ihm eine Falle und sie schnappt zu: Friedman nimmt das Paket von einem als Briefträger getarnten Polizisten entgegen. Beim nächsten Mal stehen die Beamten mit einem Hausdurchsuchungsbefehl vor der Tür und beginnen mit ihren Nachforschungen. Es ist, so die ersten Vermutungen, nur die Spitze eines Eisbergs, der hier zum Vorschein kommt. «Peculiar: This show may be hazardous to your health», lautet der Titel eines Super-8-Homemovies, in dem die Friedmans, ein wenig selbstreflexiver und exzentrischer als andere Familien, Szenen aus ihrem Leben zusammengestellt haben. In Andrew Jareckis Dokumentarfilm Capturing the Friedmans werden die zentralen Protagonisten mit Ausschnitten aus diesem Film-im-Film vorgestellt. Es ist nicht das einzige private Dokument darin, denn die Friedmans filmten sich mit einer geradezu unheimlichen Obsession selbst, vor und vor allem auch während der Ermittlungen gegen sie. (...) Das kleine Great Neck, dieser Hort bürgerlicher Wohlanständigkeit, wird aus seiner symbolischen Ordnung gerissen, und die «domestic anxiety», ein nicht zuletzt von konservativer Seite gern und oft bemühter affektiv-politischer Faktor, äußerst sich in Homophobie, Bigotterie und Fanatismus. Das Opfertum stellt dabei eine ideale Identifikationsbasis dar: Das ist auch der Moment, in dem aus einer Gemeinschaft ein Mob werden kann. (Dominik Kamalzadeh, Stadtkino-Programm Nr. 399)