WHISKY

Der alternde Junggeselle Jacobo lebt zurückgezogen und still seinen Alltag zwischen seinem Appartement und Büro, bis eines Tages sein Bruder auftaucht, den er seit langen Jahren nicht gesehen hat. Aus Scham über sein bescheidenes Dasein beschließt Jacobo, seine Vorarbeiterin Marta als seine Ehefrau auszugeben. Auf einer gemeinsamen Reise des ungleichen Trios in einen abgelegenen Urlaubsort wird aus der vordergründigen Fiktion ein seltsames, unerwartetes Verwirrspiel. Ein kleiner Film aus Uruguay, nach 25 Watts der zweite Spielfilm der beiden Regisseure aus Montevideo, und eine langsam und leise erzählte Geschichte, wie man sie vom lateinamerikanischen Kino nicht erwartet. Anders als in Brasilien ist der Winter in Montevideo kalt und trüb, aus dem Radio kommen keine Samba-Rhythmen, und Jacobo und Marta erhoffen nicht mehr viel vom Leben. Sie sind nicht arm und nicht reich, nicht schön und nicht jung, und die Arbeit in der Sockenfabrik ist ebenso trist wie der winterliche Urlaubsort mit Spielautomaten und fast leeren Restaurants. Aber man versteht nach und nach, warum Jacobo sich nicht mehr öffnen kann, warum er keine Beziehung zu seinem Bruder findet, warum Marta ihre Bedürfnisse nicht artikulieren kann, und warum Herman nicht fähig ist, seinem älteren Bruder zu helfen. Eine traurig-schöne, stimmig erzählte Geschichte von drei Menschen, die einem noch lange im Gedächtnis bleiben. Der Film heißt übrigens Whisky , weil alle drei sich auf ihrem Ausflug einmal fotografieren lassen, und gleichzeitig ein lang gezogenes «Whisky» rufen, um wenigstens für einen Moment einen fröhlichen Gesichtsausdruck zu bekommen. (Thomas Neuhauser)