UNSER AMERICA

25 Jahre nach dem Volksaufstand gegen den von den USA unterstützten Diktator Anastasio Somoza, in den sich die sandinistische Befreiungsfront FSLN eingeklinkt hatte, reist die Filmemacherin Kristina Konrad nach Nicaragua. Im Gepäck ein Foto von zwei Sandinistas, die in Camouflage vor einem Zelt sitzen und hoffnungsfroh in die Kamera blicken. Konrad hatte die beiden Frauen während ihres zweijährigen Aufenthaltes flüchtig kennengelernt. Mit der Utopie im Hinterkopf wird die Ankunft jedoch ernüchternd ausfallen: in einem Reich eines real existierenden Neoliberalismus. Die Zeiten, als die Punk-Band The Clash ihr Triple-Album noch der (nicaraguanischen) Revolution widmete («Sandinista!», 1980), sind lange vorbei. Den legendären Ruf, dem auch viele europäische Aktivisten folgten, haben die Sandinisten besonders ihr mythologisierter Anführer Daniel Ortega selbst mitbeschädigt. Vorerst jedoch lenkt Konrad den Blick auf den Klassenfeind: Der Archivaufnahme eines feuernden Sandinisten folgt der programmatische Schnitt auf ein Plakat von Ronald Reagan. Die Suche nach den Protagonisten: Wer kennt sie? Was tun sie heute? Was wurde aus ihrem Kampf? Für Irritationen sorgt Unser America , wenn eine der Gesuchten nunmehr Anwältin bekennen muss, mit ihren Söhnen nie über den Krieg und die Ideen der Sandinisten gesprochen zu haben. Der Verdacht eines ungeheuerlichen gesellschaftlichen und ideologischen Ausverkaufs steht plötzlich im Raum, den zu äußern selbst die Filmemacherin nicht wagt (wie sie gesteht). So ist es nicht weiter verwunderlich, dass selbst der sandinistische ehemalige Bürgermeister von Managua, Herty Lewites, nach dem Vorbild von Disneyland sein Hertyland erbauen ließ. Wie lautet die Zeile eines Gedichts von Rubén Daríos, die eine Kampfgefährtin rezitiert: «Nicht tot sind, die in süßem Frieden im kalten Grab ruhn, tot sind, die mit kalter Seele weiterleben.» Im Fall von Nicaragua sind die nihilistischen Kräfte überall am Werk im Zeichen des freien Marktes. (Gunnar Landsgesell)