Das Kino des Jacques Rivette

SECRET DÉFENSE

GEHEIMSACHE
Jacques Rivette
FRA, CH, I 1998
170 min
V'02

Karlheinz Oplustil: «Geheimsache» Als der neue Film von Jacques Rivette im Frühjahr in die französischen Kinos kam, gab es in der Presse nur ein einziges Interview mit Rivette. Offenbar wollte er nicht selbst zu dem Film Stellung nehmen. Das Gespräch erschien in der Musikzeitschrift «Les Inrockuptibles», die auch einen interessanten Filmteil hat. Jacques Rivette hat einen Genrefilm gemacht, einen Krimi, aber es ist unverkennbar ein Film von Rivette. Er beachtete zwar die Genre-Regeln, lässt diese aber letztlich hinter sich und erschafft pure Kino-Magie. Eine moderne Version der Orestie ist in der Handlung angedeutet. Orest und seine Schwester Elektra rächen den Tod ihres Vaters Agamemnon. Bei Rivette entsteht durch ein Foto bei den Geschwistern Sylvie und Paul der Verdacht, dass der Tod ihres Vaters beim Sturz aus einem Zug vor fünf Jahren kein Unfall war, sondern Mord. Sein damaliger Freund und Partner Walser, der davon profitiert hat und jetzt das Unternehmen leitet, könnte ihn aus dem Zug gestoßen haben. Sylvie ist erst skeptisch, aber als sie erfährt, dass Walsers Alibi arrangiert wurde, beschließt sie, den Vater zu rächen. Um den unbesonnenen jüngeren Bruder zu schützen, will sie die Rache auf sich nehmen. Sie besorgt sich eine Pistole und fährt zu Walsers Landhaus in der Nähe von Dijon. Nachts kommt sie dort an, aber ihr Plan scheitert. Bei einem Handgemenge wird Walsers Geliebte Véronique getötet. Bis zu diesem Punkt verläuft die Handlung als gerade Linie. Aber mit Sylvies Tat ändert sich die Struktur des Films. Je mehr man über die Personen und die Vorgeschichte der Tat vor fünf Jahren erfährt, desto mehr lösen sich die Gewissheiten auf. Das Spannungsverhältnis zwischen Ordnung und Chaos, zwischen Form und Formlosigkeit, das viele Filme Rivettes bestimmt, ist hier auf eigenwillige Weise abgewandelt. Denn eine Rachegeschichte ist geradezu der Inbegriff einer geradlinigen Aktion: Der Rächer hat ein klares Ziel, das er erreichen will. In Secret défense geht die gerade Linie der Handlung nach Sylvies Aktion in eine nach außen drehende Spirale über, die immer neue Geheimnisse und Enthüllungen in ihrer Bewegung erfasst und an die Spiralen denken lässt, die als visuelles Symbol der Schwindelanfälle Hitchcocks Vertigo durchziehen.

Credits
  • Grégoire Colin
  • Sandrine Bonnaire
  • Jerzy Radziwilowicz
  • Jacques Rivette
  • Pascal Bonitzer
  • Emmanuelle Cuau
  • William Lubtchansky
  • Bernard Le Roux
  • Nicole Lubtchansky
  • Jordi Savall
  • Manu de Chauvigny
  • Anne Autran
Pierre Grise Productions

Leonor Films

Pierre Grise Productions
Stadtkino Verleih
35 mm
col
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