TRIBUTE TO HARTMUT BITOMSKY

DAS KINO UND DER TOD

Hartmut Bitomsky
BRD 1988
46 min
V'00

Man hat den Film immer wieder mit dem Traum verglichen. Im Traum verschmilzt das Alltagsleben mit dem, was jenseits davon liegen kann. Der Körper ruht, das Ich regt sich, und das Bewusstsein arbeitet. Allerdings wird dem Film auch zugeschrieben, dass er auf die eine oder andere Weise das Leben wiedergeben kann oder muss. Andererseits beschäftigt sich der Film ohne Unterlass mit dem Tod. Es gibt kaum einen Film, in dem nicht mindestens eine Person sterben muss. Der Tod ist ein Axiom des Kinos so wie die Liebe und das Verbrechen und die Realaufnahme Axiome des Kinos sind. Wenn man sagt, dass der Tod ein Axiom des Kinos sei, dann stimmt das nicht auf den ersten Blick: Es ist eher das Töten, das das Kino beschäftigt, und weniger der Tod.
Das Kino beschäftigt sich mit Tätigkeiten, weniger mit Zuständen. Wie Schauspieler mit den Sterbensmomenten umgehen, das ergibt ein eigenes Bild vom Tod, und im Zentrum dieses Bildes stehen übermenschliche Schmerzen und Qualen, die durchlitten werden müssen. Einen anderen Tod kann man sich kaum noch vorstellen. Erst werden Grimassen geschnitten und dann zerfällt die Koordination des Bewegungsapparates. Erst Konvulsionen, dann Katatonie. Das heißt, die Schauspieler  betonen ihre Kunst des Schauspiels und nicht die Kunst des Sterbens. Als Zuschauer ist man immer versucht nachzuschauen, ob da nicht doch am Hals noch eine Ader schlägt und ob der Atem lang genug angehalten wird.
Für Füme werden immer Schauplätze gesucht, die pittoresk und ungewöhnlich sind. Das gilt in besonderem Maße für die Kulissen des Todes. Natürlich gibt es diese schmuddeligen, kleinen Zimmer, die nichtssagend sind, in denen jemand umgebracht wird. Aber meistens ist es dann nur eine Nebenfigur. Wenn aber durch den Tod eines Protagonisten eine Geschichte entschieden werden muss, dann werden entsprechende Orte gewählt. Grandiose Naturkulissen, aufgegebene Fabriken, Ruinen, Sackgassen, Schrottplätze, Jahrmärkte und manchmal sogar Friedhöfe sind  überdimensionierte Bühnen, auf denen die handelnden Figuren beinahe verloren gehen. Angesichts der enormen Szenerie der Welt ist der Mensch eine kleine Größe. Wenn man alle Szenen zusammenzählt - das Töten, das Sterben, die Tode, dann ist ein enormer Bürgerkrieg im Gange. (Hartmut Bitomsky)
Es wird immer so viel über Medienerziehung und -bildung als gesellschaftliches Vademecum geredet. Bitomskys Film nimmt sich seines Mediums mit einer Sorgfalt und Genauigkeit an, die eher der philosophischen Praxis ähnelt. (Dietrich Leder)
 

Credits
  • Hartmut Bitomsky
  • Carlos Bustamante
  • Gerhard Metz
  • Gisela Müller
  • Cornelia Schleheck
  • Angelika Ludwig
  • Bernard Herrmann
  • Paul Stutenbäumer
  • Ralph Bohn
Big Sky Film, WDR

WDR

Video (Betacam SP)
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