Spielfilme

DIE INNERE SICHERHEIT

Christian Petzold
DEU 2000
107 min
V'08

Einen Film wie diesen hat die Debatte um 68 und deren Folgen gar nicht verdient. Er fragt nicht nach Schuld, fordert keine Sühne, verweigert sich den einfachen Antworten, aber stellt die richtigen Fragen: Was bleibt übrig von den Utopien, wieviel taugen sie für den Alltag - und dazwischen die alte existenzielle Frage, wofür man sich entscheiden würde, wenn man wählen müsste zwischen dem Leiden und dem Nichts. Die innere Sicherheit ist natürlich ein hübscher mehrdeutiger Titel, in dem sich die ganzen Entwicklungslinien vom Privaten ins Politische abzeichnen. Wieviel Liebe braucht ein Kind, wieviel Spannungen verträgt eine Familie, wieviel Rachsucht braucht ein Staat, um innere Sicherheit zu erlangen oder zu bewahren? Es geht um eine Familie im Untergrund, seit 15 Jahren unterwegs in der Anonymität des Auslandes. Was die Eltern genau verbrochen haben, wird nie gesagt, und auch der Name RAF wird nie erwähnt, aber es gehört nicht viel dazu, sich eine entsprechende Vergangenheit auszumalen. Gerade diese bedingungslose Verlagerung in die Gegenwart verleiht dem Film eine ungeheuere Kraft - und illustriert außerdem genau jenes Verhältnis zur Vergangenheit, das die Ziele und Motive von einst buchstäblich für indiskutabel hält. Als sei eine ganze Epoche von den Nebeln des deutschen Herbstes verschluckt worden. (...) Bei aller Beengtheit der Situation geht es nicht um Klaustrophobie, sondern um ihr Gegenteil: Agoraphobie, die Angst vor großen Plätzen, das Gefühl, immer und überall allem ausgesetzt zu sein. Das einzige, was die drei diesem Gefühl entgegenzusetzen haben, ist der Zusammenhalt als Familie. Genau das ist aber das Problem: dass sich die Tochter wie jeder junge Mensch irgendwann mal selbst erfinden, sich eine eigene Geschichte und Identität zurechtzimmern muss. Weil aber nicht sein kann, was nicht sein darf, unternehmen die Eltern alles, um die Tochter genau daran zu hindern. So wird im quasi luftleeren Raum ein Familienexperiment durchexerziert. Was einst eine revolutionäre Zelle gewesen sein mag, ist nun zur gläsernen Zelle der Familie geworden. (Michael Althen, Stadtkino-Programm Nr. 368)

Credits
  • Julia Hummer - Jeanne
  • Barbara Auer - Clara
  • Richy Müller - Hans
  • Bilge Bingül - Heinrich
  • Harun Farocki
  • Christian Petzold
  • Hans Fromm
  • Heino Herrenbrück
  • Bettina Böhler
  • Stefan Will
  • Kade Gruber
  • Anette Guther
Schramm Film

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