Retro Warhol

CAMP

Andy Warhol
USA 1965
67 min
V'05

Camp, 1965 gedreht, besteht im Wesentlichen aus einer Rolle ungeschnittenen Films, nur unterbrochen durch den Wechsel zur nächsten Rolle. Am Anfang des Films sind die Darsteller in Warhols Studio so versammelt wie die Figuren auf Courbets Gemälde «LAtelier», das Courbet als «die moralische und physische Geschichte meines Studios» bezeichnete (vielleicht sind die Parallelen zwischen beiden Werken mehr als oberflächlich). Das Arrangement ist nicht so einfach durchschaubar: Leute sitzen auf einer Couch, auf harten Holzsesseln und auf Stühlen; andere stehen vor einer Wand im Hintergrund. Die ganze Szenerie ist grell melodramatisch ausgeleuchtet, nicht nur durch feststehendes Licht, sondern auch durch tragbare Sun-Guns, die von Technikern in T-Shirts herumgetragen werden sie kommen hie und da ins Bild, um einen bestimmten Spot zu beleuchten oder ein Mikrofon zu verschieben. Die Darsteller werden im Programm «in der Reihenfolge ihres Auftretens» genannt: «Baby Jane Holzer, Paul Swan, Mario Montez, Mar-Mar, Jodie Babs, Tally Brown, Jack Smith, Fu-Fu Smith, Donyle, Tosh Carillo und ihr Gastgeber, Gerard Malanga». Wie diese Programmnotiz es andeutet, ist das Format das eines Varieté-Programms. Es werden Leute vorgestellt, die dann für eine bestimmte Zeit etwas vorführen oder darstellen. Fast scheint es also, als ob der Film seine Darsteller der Lächerlichkeit preisgäbe, indem er ihnen Unmögliches abverlangt. Warhol hat mit seiner Programmnotiz beim Publikum Erwartungen geweckt, die seine Darsteller nicht erfüllen können: «Die Kamera ist saumäßig, das Licht grausam, die Technik grauenhaft aber die Leute sind fantastisch!» Dann ist es auch so, dass die Leute vor der Kamera wahrscheinlich von den Zuschauern beneidet werden und diese nur darauf warten, sich an ihren schwachen Seiten zu delektieren; sie kommen, um zu sehen, wie Baby Jane Holzer als blöde Gans exponiert wird. Die Darsteller bemühen sich, mal auf peinliche, mal auf erfolgreiche Weise, uns zu unterhalten, indem sie sich ihrem Amüsement hingeben. Die erbarmunsglos-objektive Kamera bietet keine Hilfestellung, zeigt kein Mitleid. Sie hält nicht an, schwenkt nicht weg. Irgendwie aber sind die Darsteller gar nicht lächerlich. Sie genügen der Sache nicht, aber in ihrem Ungenügen liegt ihre Menschlichkeit; ihre Performance ist bewegender als das überwirkliche, sorgfältig bearbeitete Persönlichkeits-Pastiche, das wir gewöhnlich auf der Leinwand zu sehen bekommen. Die mit der Objektivität untrennbar verbundene andere Seite heißt Glauben. Thom Andersen, «Artforum», Juni 1966 Übersetzung von Johannes Beringer

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