V'20 Festivalinfo

Mit der Galavorführung des Films THE TRUFFLE HUNTERS von Michael Dweck und Gregory Kershaw ging die 58. Ausgabe der Viennale zu Ende.

Es war eine außergewöhnliche Viennale – gewissermaßen im Ausnahmezustand. Mit ein bisschen Glück, als Präsenzfestival gerade noch stattfinden zu können und mit einer überraschenden Reaktion der Zuschauer*innen: Trotz der um drei Tage verkürzten Dauer und der massiven Verringerung der Sitzplatz-Kapazitäten konnte die Viennale 42.000 Besucher*innen in den Kinosälen begrüßen. 

Viennale Direktorin Eva Sangiorgi bei der Eröffnung der Viennale 2020 / Viennale Director Eva Sangiorgi at the Viennale Opening Ceremony

„Noch vor ein paar Wochen konnten wir nicht absehen, wie die Filmfreund*innen dieser Stadt unser Angebot in Zeiten der Pandemie annehmen würden“, freut sich Viennale Direktorin Eva Sangiorgi. „Ich bin überwältigt von der Reaktion des Publikums, sie übertrifft meine Erwartungen bei weitem.“

Das diesjährige Festival: Elf Tage, zehn Kinos, 320 Vorführungen, 52 internationale und 45 österreichische Filmgäste, dazu zahlreiche Journalist*innen, Kritiker*innen und Gäste aus der Filmbranche.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Eröffnung der Viennale 2020 / Austrian Federal President Alexander Van der Bellen at the Opening Ceremony of the Viennale 2020

Am Eröffnungsabend war MISS MARX an allen zehn Spielorten der Viennale zu sehen. Die Regisseurin Susanna Nicchiarelli besuchte mehrere davon und war begeistert, dem Wiener Publikum in unseren schönen Kinos begegnen zu können. Das Festival begann mit der Anwesenheit und Unterstützung vieler Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Politik bei der Eröffnungsgala im Gartenbaukino, insbesondere von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, die auf die immense Bedeutung von Kultur und Veranstaltungen wie der Viennale in dieser herausfordernden Zeit hinwiesen.

Image of movie Say Goodbye to the Story (ATT 1/11)

Eines der großen Highlights des Festivals war die CHRISTOPH SCHLINGENSIEF gewidmete Monografie, die uns – ausgehend von Bettina Böhlers Dokumentarfilm über den Künstler – erlaubte, uns eingehend mit seinem filmischen Werk auseinanderzusetzen, einschließlich unveröffentlichtem Material wie seinem ersten Film, der entstand, als er noch ein Kind war, dem THEATERFILM und dem außergewöhnlichen SAY GOODBYE TO THE STORY, einer großen Hommage an Irm Hermann (1942–2020).

Durch die Isabel Pagliai gewidmete Monografie war es möglich, eine junge Autorin zu entdecken, die in der Lage ist, die Poesie der Kinder einzufangen und dem Kino in einer nie zuvor gekannten Weise zugänglich zu machen. 

Regisseurin Isabel Pagliai beim Screening ihres Programms mit den Filmen ISABELLA MORRA, ORFEO und TENDRE  im Filmmuseum / Director Isabel Pagliai at the screening of her program with the films ISABELLA MORRA, ORFEO and TENDRE at Filmmuseum

Das nationale Kino spielte in diesem Jahr eine besonders große und wichtige Rolle, da viele österreichische Filmemacher*innen, Autor*innen, Produzent*innen und Schauspieler*innen anwesend waren. Das Programm AUSTRIAN AUTEURS des Filmarchiv Austria ließ uns eine Reihe von wesentlichen Independent-Werken der österreichischen Filmgeschichte wiederentdecken. 

Regisseurin Lisa Weber bei der Premiere ihres Films JETZT ODER MORGEN im Gartenbaukino / Director Lisa Weber at the premiere of her film JETZT ODER MORGEN at Gartenbaukino

Darüber hinaus erwies sich die Auswahl der Kinematografie KOLLEKTION DIAGONALE’20 als eine notwendige Synergie, um in diesen schwierigen Zeiten zusammenzuhalten und unser Kino gemeinsam zu feiern. Die Retrospektive RECYCLED CINEMA in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum unterstrich die Fähigkeit des Kinos, Verbindungen zwischen verschiedenen Situationen und Zeiten, zwischen Erzählungen und Autor*innen herzustellen – etwas in diesen Tagen besonders Eindrucksvolles. 

Die Premiere von WOOD im Metro Kinokulturhaus / The premiere of WOOD at Metro Kinokulturhaus

Besonders bemerkenswert war sicher eines: Als die Pandemie sich in den letzten Tagen in vielen Ländern – und auch bei uns – verschlimmerte, ging das Festival trotzdem mit einem starken Gefühl der Sicherheit und der Solidarität unter allen Teilnehmer*innen weiter. 

Moderator Patrick Holzapfel beim Online Q&A mit Regisseur Kazik Radwanski und Schauspielerin Deragh Campbell (ANNE AT 13,000 FT) / Moderator Patrick Holzapfel at the online interview with director Kazik Radwanski and actress Deragh Campbell (ANNE AT 13,000 FT)

„Der Geist der Viennale 2020 feierte in der Tat den Gemeinschaftssinn“, so Viennale Direktorin Eva Sangiorgi. „Unter all jenen, die für die Kultur und insbesondere für das Kino arbeiten, die die Kultur und das Kino lieben und die sich von ihnen ernähren. Ein besonderer Dank gilt dem Publikum: für seine Leidenschaft und sein Vertrauen.“  

Premiere von HOCHWALD im Gartenbaukino / At the premiere of HOCHWALD im Gartenbaukino
Die Premiere von EPICENTRO im Gartenbaukino / The premiere of EPICENTRO at Gartenbaukino

 

 

V'20 Trailer

AD UNA MELA von Alice Rohrwacher

Den Trailer der Viennale 2020 verdanken wir einer der großen Filmemacherinnen der Gegenwart, Alice Rohrwacher. Auf 16mm-Filmmaterial gedreht, spielt er mit dem Geheimnis der Schöpfung und der Magie von Licht und Schatten, aus der das Kino geboren wird. Er ist eine Anrufung der Rückkehr zur Unschuld, die die Voraussetzung einer jeden neuen Entdeckung ist, die antreibende Kraft des ewigen Lebenskreislaufes. Ein Auszug aus Pablo Nerudas „Oda a la manzana“ (ODE AN DEN APFEL), vom Autor selbst vorgetragen, preist zugleich den Film, den kostbaren Moment einer Wiederentdeckung und den einer Neuschöpfung: „Cuando mordemos / tu redonda inocencia / volvemos / por un instante / a ser / también recién creadas criaturas / aún tenemos algo de manzana.“ (Wenn wir deine runde Unschuld beißen, sind wir wieder für einen Moment auch eben erst geschaffene Kreaturen: sogar wir haben etwas von einem Apfel.)

Der VIENNALE Trailer 2020

 

V'20 Sujets

V20 Plakat

Biologisch gesehen zählen Pilze zur Domäne der Eukaryoten; sie bilden aber ein von Tieren und Pflanzen unterschiedenes Reich, das ihnen Mitte des vergangenen Jahrhunderts erst zugeteilt worden ist; zuvor wurden sie lange ebenso traditioneller- wie fälschlicherweise dem Pflanzenreich zugeschlagen; heute hingegen weiß man, dass sie mehr Gemeinsamkeiten mit tierischen Organismen haben.

Pilze leben in Symbiose mit anderen tierischen oder pflanzlichen Wesen oder sie sind deren Parasiten, auch die des Menschen. Pilze spielen eine fundamentale Rolle im Kreislauf der Natur und für den Austausch von Nährstoffen in der Umwelt: Sie sind die Urheber von Verwesung und Verwandlung organischer Materie. Pilze leben in dunkler Umgebung, eine Eigenschaft, die sie mit dem Kino gemein haben.
Der Mensch nutzt Pilze als Nahrung, sie kommen als Gärstoff oder Ferment bei der Zubereitung von Getränken und Lebensmitteln zum Einsatz, sie dienen der Desinfektion oder als biologisches Pestizid; antike medizinische Traditionen ebenso wie die moderne Naturheilkunde schätzen Pilze als Heilmittel, und ihrer berauschenden Wirkung wegen kommen sie in religiösen Ritualen ebenso zum Einsatz wie sie in sekularen Zusammenhängen als Mittel der Flucht aus dem Alltag gebraucht werden.
Seit jeher auch werden Pilze aufgrund ihrer psychoaktiven und halluzinogenen Eigenschaften in der Literatur und in den visuellen Künsten als Schlüssel zu den Pforten der Wahrnehmung beschrieben.

V'20 Retrospektive: Recycled Cinema

Das Sujet der Viennale 2020 stellt eine fröhliche Ansammlung stilisierter Fliegenpilze (Amanita Muscaria) dar, die ikonografisch seit jeher mit psychedelischen Erfahrungen assoziiert werden. So wie ja auch das Kino mit seinen überraschenden Perspektiven zu ungeahnten Erkenntnissen und Visionen anregt und den Blick öffnet in neue Welten.
Diese Aspekte der Verwandlung, des Erstaunens und der Befreiung wollen wir mit unserem Sujet wachrufen: Der Pilz der Viennale, weder Tier noch Pflanze, erinnert doch an beide, obwohl er eigensinnig etwas anderes bleibt – das sich weiter noch transformieren kann.
Zugleich bringt diese farbenfrohe, lebhafte Fläche – auf der sich aus der spielerischen Vermischung von Darstellung und Form vielfältige Möglichkeiten der Assoziation ergeben – viele Pilze zusammen, in gebotener Distanz zwar, aber doch versammelt wie zu einer Feier und einander begegnend.

Das Leitmotiv der Verwandlung und der Wiederverwertung prägt auch die Retrospektive, die in diesem Jahr als Kollaboration von Viennale, Filmmuseum und dem Verleih sixpackfilm entsteht, der sein dreißigjähriges Bestehen feiert. Es spiegelt sich in einem Still aus der bahnbrechenden Trilogie FILM IST des im letzten Jahr verstorbenen Gustav Deutsch, der in dieser die Phänomenologie des Mediums Kino vermittels in den Archiven der Welt gefundener Bilder aus anderen Filmen erforschte. Das Kino setzt sich zusammen aus filmischer Materie, die Filmkunst ist ein auf die Welt und die in ihr entstehenden Bilder gerichtetes Kaleidoskop.
Auf unserem Plakat ist ein Einzelbild zu sehen, das ihr Feuer einfängt.

V'20 Gäste

Regisseur*innen Juan David González Monroy und Anja Dornieden (HER NAME WAS EUROPA) / Directors Juan David González Monroy and Anja Dornieden (HER NAME WAS EUROPA)

120 Bühnengespräche mit anwesenden Künstler*innen fanden in den Kinosälen statt, etwa zehn davon online, um uns u.a. mit Eliza Hittman, Kelly Reichardt, John Gianvito und Gianfranco Rosi zu verbinden.

Die Präsenz der Regisseur*innen, Produzent*innen und Autor*innen belebte die Säle, und das Publikum reagierte äußerst wohlwollend, indem es in großer Zahl in die Kinos strömte.

Regisseur John Gianvito (HER SOCIALIST SMILE) und Moderatorin Katja Wiederspahn beim Online-Q&A im Stadtkino im Künstlerhaus / Director John Gianvito (HER SOCIALIST SMILE) and moderator Katja Wiederspahn doing the online-Q&A at Stadtkino im Künstlerhaus

Viele Autor*innen freuten sich, in einem gemeinsamen Raum interagieren zu können, von Jasmila Žbanić bis Abel Ferrara, von Radu Jude bis Želimir Žilnik, dem wir eine unserer Kinematografien widmeten und der im gleichen Zeitraum in der Kunsthalle eine erweiterte Ausstellung seiner Werke eröffnete. 

Anders Edström

V'20 Filmpreise

 

WIENER FILMPREIS

Jury: Rapperin und Poetry-Slammerin Yasmo, Journalistin Renata Schmidtkunz (ORF) sowie Kira Kirsch, künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin von brut Wien.

Der Wiener Filmpreis, eine von der Stadt Wien gestiftete und im Rahmen der Viennale vergebene Auszeichnung, gilt einem aktuellen österreichischen Langfilm, der im vergangenen Jahr zur Aufführung gelangte. Die Dotierung dieses Preises besteht aus einem Geldbetrag, der von Seiten der Kulturabteilung der Stadt zur Verfügung gestellt wird, einer monetären Unterstützung vom Hotel The Harmonie Vienna sowie großzügigen Sachwerten, gestiftet von den Sponsoren BLAUTÖNE und viennaFX. Beim Wiener Filmpreis werden zwei Preise vergeben: der Preis für den besten österreichischen Film und der Spezialpreis der Jury. Jede der beiden Auszeichnungen ist mit Geldspenden und Sachwerten dotiert.

Bester österreichischer Film
EPICENTRO

Hubert Sauper, Österreich/Frankreich 2020

EPICENTRO

Hubert Sauper ist es in gleichermaßen poetischer wie politisch-analytischer Art gelungen, uns Begegnungen mit Menschen, im Besonderen mit Kindern der kubanischen Hauptstadt Havanna zu ermöglichen. Der Film verwebt den Moment, in dem die Bilder Laufen lernten, mit den Visionen der kleinen Prophetinnen und Propheten - wie Sauper die Kinder von Havanna nennt. Dabei ist er sowohl mit der Kamera als auch mit dem Erzählstrang immer auf Augenhöhe mit seinen selbstbewussten, lebensfroh und lebensklugen ProtagonistInnen. Hubert Sauper nähert sich allen Charakteren in solidarischer Zärtlichkeit und macht so die von den Kindern geäußerten Utopien zu verwirklichbaren Möglichkeiten. Das stimmt uns optimistisch.

Spezialpreis der Jury
THE TROUBLE WITH BEING BORN
Sandra Wollner, Österreich/Deutschland 2020

The Trouble with Being Born

In ihrem Film THE TROUBLE WITH BEING BORN nimmt Sandra Wollner in ästhetisch äußerst gelungener Art ein Thema auf, das unsere Gesellschaften in den nächsten Jahrzehnten sehr beschäftigen wird. Der Mensch erschafft sich in Form von Androiden Projektionsflächen, die alle Wünsche erfüllen und jenseits der Menschenrechte existieren. Die bisher gültigen moralischen Übereinkünfte werden obsolet. 
Die Macht der Bilder und das verstörende Narrativ dieses Filmes haben uns ambivalent zurückgelassen. Sie zwingen uns alle, in die Auseinandersetzung mit den eigenen ethischen Vorstellungen über Liebe und Herrschaft, der Zukunft der Menschenrechte im Zeitalter der künstlichen Intelligenz und dem tiefen Graben zwischen Erinnerung und Projektion zu gehen. Ob wir wollen oder nicht.

 

PREIS DER STANDARD-PUBLIKUMSJURY

Jury: Hildegrund Amanshauser, Susanne Jäger, Iona Domenica Zamfirescu

„Der Standard“ organisiert den Preis der Standard-Publikumsjury. Die Juror*innen wählen aus den Festivalbeiträgen einen Film aus, der noch keinen Verleih in Österreich hat. Findet der ausgezeichnete Film in der Folge einen Vertrieb, unterstützt „Der Standard“ den Filmstart mit kostenlosem Anzeigenraum in der Zeitung.

SELVA TRÁGICA
Yulene Olaizola, Mexiko/Frankreich/Kolumbien 2020

Image of movie Selva trágica

Von der ersten bis zur letzten Szene tauchen wir in den Regenwald, seine Tierwelt und drückende Hitze ein. An einer Flussgrenze zwischen Mexiko und Belize flieht eine Frau vor einem britischen Gutsherrn und findet sich in einer Gruppe von mexikanischen Kautschuk-Arbeitern wieder. Doch bevor sich ihre Unterdrückung fortsetzt, beginnen die magischen Kräfte des Waldes zu wirken.
Die Jury überzeugte die Geschichte, die einen Mayamythos mit der Geschichte entkommener Sklavinnen verschränkt. Sie war begeistert von der eindringlichen Bildsprache und dem großartigen Sound des Films SELVA TRÁGICA von Yulene Olaizola. SELVA TRÁGICA erzeugt von Anfang bis zum Ende einen pulsierenden Sog, der von der Gier des Menschen, vom Tod und der Schönheit und Grausamkeit des Regenwalds erzählt.

 

FIPRESCI PREIS

Jury: Hossein Eidizadeh, Barbara Lorey de Lacharriere, Pia Reiser

FIPRESCI, der Internationale Verband der Filmkritiker*innen, wurde 1930 gegründet. Der Verband hat sich der Pflege journalistischer Ethik verschrieben und vertritt die professionellen Interessen seiner Mitglieder. Die Mitglieder der FIPRESCI kommen aus aller Welt und finden sich in kleinen Jurys auf zahlreichen Filmfestivals ein, um den Preis des Internationalen Filmkritiker*innenverbandes zu vergeben. Meist wählen sie dabei – wie bei der Viennale – aus einer Reihe von Erstlingswerken junger Regisseur*innen.

ZABIJ TO I WYJEDZ Z TEGO MIASTA
Mariusz Wilczyński, Polen 2019

Image of movie Zabij to i wyjedz z tego miasta

Der FIPRESCI-Preis geht an ZABIJ TO I WYJEDZ Z TEGO MIASTA von Mariusz Wilczynski für die bestechend phantasievolle und rohe Verwendung von Animation, um eine persönliche Geschichte zu erzählen, die auf dem schmalen Grat zwischen Alpträumen, Träumen und Splittern von Kindheitserinnerungen wandelt.  Beunruhigend, kompromisslos und rätselhaft zugleich. Eine eindringliche Story, die tief in die Psyche, Geschichte und Kultur Polens eindringt und es dennoch schafft, sich in eine universelle Erzählung über Verlust, Erinnerung, Kindheit und Liebe zu verwandeln.

 

Erste Bank MehrWERT-Filmpreis

Jury: Silvia Bohrn, Boris Manner, Andreas Ungerböck

Die Erste Bank, langjähriger Hauptsponsor der Viennale, vergibt heuer bereits zum 10. Mal den MehrWERT-Filmpreis. Der MehrWERT-Filmpreis ermöglicht einen Auf- enthalt in New York, verbunden mit einer Präsentation der Arbeiten im New Yorker Anthology Film Archives. Aufgrund der weltweit schwierigen Reise- und Aufenthaltsbedingungen wird 2020 der Mehr- WERT-Filmpreis als Geldpreis ausgelobt.

ZAHO ZAY
Georg Tiller, Maéva Ranaïvojaona, Österreich, Frankreich, Madagaskar 2020

Image of movie Zaho Zay

ZAHO ZAY ist eine präzise, komplexe und bewusste filmische Meditation über die conditio humana. Die Protagonistin, eine Wärterin in einem madegassischen Gefängnis, phantasiert die Rückkehr ihres eigenen Vaters, der sie als Kind verlassen hat. Zwischen den von ihr beaufsichtigten demütigenden Ritualen des täglichen Appels der Gefangenen, dem Rasieren der Köpfe der Verurteilten und dem Verteilen des Essens, erträumt sie einen mythischen Vater, der als Gesetzloser unerreichbar durch eine Biographie an Verbrechen wandert und dessen Taten weder durch Vernunft noch durch Emotion bestimmt werden. Einzig die Würfel lässt er über den Fortgang seines Handelns entscheiden. Diese Dialektik von Freiheit und Gefangenschaft, Zufall und Ordnung in der Erzählung des Films wird auch in dessen anderen Ebenen zum Angelpunkt von dessen Konstruktion. Scheint am Beginn die Stimme der Erzählerin, die in ihrem Vortrag den Text mehr und mehr in ein Gedicht transformiert, der Autorin des Drehbuchs zu gehören, verschiebt sich diese im Laufe der Zeit zur Protagonistin um dann im letzten Teil des Filmes mit dessen Bildern zu einem halluzinatorischen Poem zu werden. Auch der filmische Blick oszilliert zwischen dokumentarischen und inszenierten Positionen. Blitzt in den Sequenzen im Gefängnishof noch ein kolonialer Blick der Filmemacher auf, verschwindet dieser in den traumhaften Erscheinungen des Vaters. Diese Bewegungen zwischen den unterschiedlichen Repräsentationsformen entwickeln sich zu einem ununterscheidbaren Ganzen. Der langsame Rhythmus, der genaue Schnitt und das perfekte Ineinandergreifen von scheinbar inkohärenten Elementen transzendieren ZAHO ZAY zu etwas Unverwechselbarem, zu einem Film der jenseits der Gattungen Spielfilm oder Dokumentation angesiedelt ist.
 

Die Erste Bank MehrWERT-Filmpreisanerkennung 


BITTE WARTEN
Pavel Cuzuioc, Österreich 2020

Image of movie Bitte warten

BITTE WARTEN ist ein leiser Film, der sich der Thematik der Kommunikationstechnologie humorvoll und klug widmet. Wir begleiten die Telekommunikations-Monteure bei ihren Besuchen in Haushalte: am Land, meist in kleinen Dörfern und reisen so in einige, an die EU grenzende östliche, Nachbarländer. Wir erhalten Einblick in persönliche Geschichten, in andere Lebensrealitäten. Als verbindend zeigt sich, dass Telekommunikation immer auch eine Kette von nicht enden wollenden Absurditäten ist, denen wir alle ausgeliefert sind. 
Ein wiederkehrendes Thema im Film ist die Kritik der Menschen am schlechten Programm, das man ihnen verkauft. Dieser Film gehört definitiv nicht dazu.