Retro: Chantal Akerman

GOLDEN EIGHTIES

Chantal Akerman
FRA, B, CH 1986
96 min
V'11

In Golden Eighties sind die Liebenden nicht mehr allein auf der Welt. Die vier Jungs, die ungeladen auftauchen, wissen nicht, woher der Wind weht. Es regt sich auch gar kein Lüftchen in der Passage. Sogar die Klimaanlage des Friseursalons ist kaputtgegangen. Nein, diese vier Jungs sind «Vertreter» einer Zeit, in der sich alles verkauft und Geld gebracht hat. Sie sind Räuber des Intimen, Gerüchtediebe. Man fühlt sich an Alexandre (Jean-Pierre Léaud) in La Maman et la putain erinnert: «Alles muss bekannt sein.» Aber es geht darum, den Kleinlichkeiten der Bourgeoisie, die sich hinter ihren Fenstern versteckt, etwas entgegenzusetzen. Das Intime ist in Golden Eighties zum Hindernis für das Wirtschaftswachstum geworden. Die einzige Lösung ist, daraus eine Ware zu machen – ein Verkaufsargument. Eine der Friseurinnen ahnt etwas und fragt sich, ob das Glück nicht bloß ein Werbekonzept ist. Golden Eighties behalte ich also als einen Film in Erinnerung, in dem die Intimsphäre zutiefst verwundet ist. Und die Wunde ist so tief, dass sie bis in die Tragödie der Konzentrationslager hineinreicht, die sich in der Figur von Delphine Seyrig manifestiert. In ihrem Körper, der es ablehnt, sich der Liebe hinzugeben, aber vor allem in ihrer Stimme, die ein Echo des modernen Kinos ist, weil sie nicht imstande ist, das Unsagbare auszudrücken. Mit einem Nachklang von John Berrys amerikanischem Akzent, der an einen anderen Amerikaner erinnert – an jenen, der vor dem Mädchen von Rochefort niederkniet, um ihre heruntergefallene Musikpartitur aufzuheben und ihr die große Liebe vorzuschlagen –, Gene Kelly und Françoise Dorléac in Les Demoiselles de Rochefort , Jacques Demy, 1967. Und dann ist da noch die heisere Stimme von Charles Denner, der von einer Krankheit gezeichnet ist, die ihn schließlich das Leben kosten wird. Auf dieser letzten Reise wird er nicht allein sein. Claire Vassé «Chantal Akerman: Autoportrait en cinéaste», Cahiers du cinéma, Paris 2004

Credits
La Cecilia Paris, Paradise Films Bruxelles, Limbo Films Zurich, Ministère de la culture France, Ministère de la communauté française de Belgique
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