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V23_Chile, la memoria obstinada | © Viennale

Fünfzig Jahre Chilenischer Film

22 Okt 2023

Fünfzig Jahre Chilenischer Film

Beitrag zu einer (unvollendeten) Geschichte des Neuen
VON HADEN GUEST


„Chile es muy difícil de asir porque es metamórfico.
(Chile ist sehr schwer zu fassen, denn Chile ist metamorph.)“

Raúl Ruiz

Image of movie Morir un poco
MORIR UN POCO (1996)

Nur wenige nationale Kinematografien wurden so vollständig durch ein einziges historisches, alles veränderndes Ereignis definiert und derartig davon heimgesucht wie das chilenische Kino. Seine Geschichte wird typischerweise in drei Abschnitte eingeteilt: in die Phasen vor, während und nach dem erschütternden Putsch vom 11. September 1973, dessen fünfzigsten Jahrestages 2023 feierlich gedacht wird – nicht nur in Chile, sondern auf der ganzen Welt. Der gewaltsame Sturz des visionären Sozialistenführers Salvador Allende hatte zweifelsohne enorme und anhaltende Auswirkungen auf das chilenische Filmschaffen. Er zog die sofortige Schließung von Chile Films, der nationalen Filmbehörde, nach sich, was dem lebendigen, staatlich geförderten Neuen Chilenischen Kino, das – angeführt von solch bahnbrechenden Regisseuren wie Aldo Francia, Miguel Littín, Raúl Ruiz und Helvio Soto – seit den späten 1960er Jahren aufgeblüht war, einen verheerenden Schlag versetzte. Doch regten der Putsch und die darauf folgende 17-jährige brutale Diktatur auch zu erfinderischen Formen eines widerständigen Filmschaffens an, alternative und nicht-offizielle Ausformulierungen eines „Neuen“ und „Dritten“ Kinos. Diese schließen Modi des unverklausulierten politischen Dokumentarfilms, der bis heute bekanntesten Ausdrucksform des chilenischen Kinos, mit ein, gehen aber weit darüber hinaus. Der bemerkenswerte Ideenreichtum chilenischer Filmemacher: innen während der Diktatur, ob in ihrem Heimatland oder im Exil, blieb allerdings nicht auf die Zeit der dunklen Pinochet-Ära beschränkt. Tatsächlich bestimmt eine hartnäckige Logik unaufhörlicher Neuerfindung das chilenische Kino, seit es mit dem Neuen Chilenischen Kino erstmals internationale Anerkennung fand. Dieses Neuerfinden fand seine Fortsetzung sowohl in der Übergangszeit der 1990er Jahre, nach Pinochets lang erwartetem Fall, als auch im Cinema Novísimo (Sehr Neues Kino) der jüngeren Vergangenheit, das in den Nullerjahren seinen Höhepunkt erreichte.
(Text-Auszug aus dem Katalog Viennale 2023)

 

Chile, la memoria obstinada

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