Retro: Chantal Akerman

MAMMA ROMA

Pier Paolo Pasolini
I 1962
108 min
V'11

Mamma Roma holt ihren Sohn Ettore vom Land (Unschuld) in die Stadt (Mutter Rom, die – wie sich herausstellt – ihren Kindern keine Zukunft bietet), sie will mit ihm «wie zwei Christenmenschen» zusammenleben, will ihrem pubertierenden Ettore eine kleinbürgerliche Zukunft bieten: Er soll arbeiten, sie geht mit ihm in die Kirche, will ihm eine Frau aussuchen, zieht mit ihm in ein besseres Viertel, schenkt ihm ein Motorrad: «Ich wette, das Motorrad da is’ dir lieber als ’ne Frau!» Ettore soll eben ein richtiger Mann werden. Doch wird Mamma Ro’ ihren Zuhälter Carmine nicht los. Obwohl dieser in der unglaublich komischen und temperamentvollen Eingangsszene an einem skurril wirkenden Abendmahltisch heiratet, und Mamma Roma vor dem Hochzeitsgesindel und frei herumlaufenden Schweinen ihre Befreiungsshow abzieht, bleibt Carmine immer noch ihr «papa»: «Der Papst ist tot, es lebe der Papst!», ruft er (papa heißt volkstümlich: der Papst, aber auch: der Zuhälter). Mamma Roma ist eine kraftvolle und starke Frau, das genaue Gegenteil von Accattone. Und dennoch kann sie sich nie aus ihrem Leben als eine, gesellschaftlich gesehen, gescheiterte Frau befreien. Ihr Leben ist höchstens ein Slalom, eine Wendung aber kann es nicht geben. Die Liebe zeigt sich in diesem Film als die mütterliche zum Sohn (die aber ebenfalls zu nichts führt, Mamma Roma will ihren Ettore besitzen), als die aussichtslose Verliebtheit von Ettore zu Bruna (die ein leichtes Mädchen ist) und wird schließlich zur rohen Sexualität, bleibt immer auch Gewalt; Sexualität – ein anderer Ausdruck von Gewalt. Das kleinbürgerliche Glück ist in diesem Straßenmilieu unmöglich. Genau wie in Accattone stellt Pasolini in diesem Film enge Beziehungen zwischen Liebessehnsucht, Glaubenssehnsucht, -mysthik und -metaphorik her: Ettore schenkt Bruna ein Kettchen mit der Madonna mit dem Kinde, Mamma Roma will sich Rat beim Pfarrer holen usw. Die Kirche erscheint als in die kleinbürgerliche Welt passende Institution, sie dreht sich aber in diesem Kreis und ist nie bereit, sich zur Straße hin zu öffnen. Christoph Klimke «Kraft der Vergangenheit – Zu Motiven der Filme von Pier Paolo Pasolini», Fischer Taschenbuch Verlag 1988

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