BILDNIS EINER TRINKERIN

Psychogramm zweier ungewöhnlicher, aber auch extrem unterschiedlicher Frauen. Die eine mehr Barfüßige Gräfin , die andere mehr Nächte der Cabira . Die eine, reich, exzentrisch, ihre Gefühle starr und maskenhaft verbergend, trinkt sich bewusst zu Tode. Sie ist der Fall, der in der Statistik nicht erscheint, weil entweder zu Hause unter Valium gehalten oder unter Verschluss in einer Privatklinik. Die andere ist arm und trinkt sich unbewusst zu Tode. Sie erscheint in der normalen Statistik als Typ der haltlosen Trinkerin. Die eine sucht die Anonymität, die sie als Schutz begreift, und verlässt diese nicht bis zu ihrem Tode («Sie gab niemals die Hand, sagte weder Guten Tag, noch Auf Wiedersehen und das Wie-geht-es-Ihnen schien sie nicht zu hören»). Die andere ist eine stadtbekannte Trinkerin, «zum Straßenbild gehörend», mit festen Plätzen, Gewohnheiten, einschlägiger Erfahrung in Trinkgeldbeschaffung und mit der kleinen Chance, in ihrem Milieu etwas länger zu überleben. Die eine, die unbekannte Trinkerin, wird im Bild als «Sie» bezeichnet, die andere, die stadtbekannte Trinkerin, ist im Film die «Trinkerin vom Zoo». Diese beiden Trinkerinnen versuchen sich im Verlauf der Geschichte - die in Stationen unterteilt ist - kennenzulernen. Die eine folgt der anderen wie ein Schatten. Sie können zueinander nicht kommen - nicht weil das soziale Milieugefälle zu tief ist, sondern weil der Alkohol ihre Kommunikationsversuche immer wieder verhindert oder gar an ihre Stelle tritt. «Sie» kann ihre Starre und ihre Isolation nur noch in der Vorstellungswelt durchbrechen, indem sie sich in unterschiedliche Berufsrollen hineinfantasiert. In Wahnvorstellungen voll paranoider Angst begeht sie Akte der Selbstzerstörung. Sie kämpft mit ihrem eigenen Schatten oder versucht ihr Spiegelbild mit dem Inhalt ihres Weinglases auszulöschen. Sachverständig kommentieren die drei Damen «Soziale Frage», «Gesunder Menschenverstand» und «Exakte Statistik», welche die Rolle von Schicksalsgöttinnen in einer verwalteten, technologisierten, genormten, von Massenmedien geprägtenWelt spielen. (Ulrike Ottinger)