DANCER IN THE DARK

I've seen it all, I've seen the dark, I've seen the brightness in one little spark. I've seen what I chose — and I've seen what I need, and that is enough. To want more would be greed. I've seen what I was — andl know what I'll be, I've seen it all — there is no more to see! (Selma)
Björk, die isländische Popdiva, die auch den Score komponiert hat, spielt Selma, eine tschechische Fabriksarbeiterin in den USA, die zu erblinden droht. Gleichzeitig muss sie mit ihrem kärglichen Lohn ihrem Sohn, der an derselben Krankheit leidet, die rettende Operation finanzieren. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, als sie von einem desperaten Nachbarn als Diebin denunziert wird.
Mehr vom Inhalt soll man laut Lars von Trier nicht verraten. Aber: So wie die Protagonistin von Breaking the Waves in religiöser Verzückung ihr Heil fand, oder in Idioterne das Spiel mit Wahnzuständen Fluchtmöglichkeit war, kreiert sich auch Selma ihre Gegenwelt - in Filmmusicals. In Tagträumen, in denen das digital ausgebleichte Videobild farbig aufzublühen beginnt, durchlebt sie Harmonien und Stepptänze und Texte, wie sie so wohl nur Björk ersinnen kann. Aus Fragmenten von Maschinenlärm, ratternden Zugrädern, zerkratzten Schallplatten und kratzenden Bleistiften sampelt sie sich mitten hinein in strahlende Orchestermotive.
Der Schock, den der Film auslöst, liegt weniger in der gewohnten Konsequenz, mit der der Regisseur seine Heldin in die Hölle fahren läßt. Unbequem wird Dancer in the Dark vor allem in dem Ausmaß, in dem von Trier keine ideale Leichtigkeit aufkommen läßt. Tanzszenen in der Natur erinnern mehr an die Spukwelten von Twin Peaks. Björk wird in fast dokumentarischen Close-ups niemals zur kinderleichten Träumerin. Und selbst wenn Catherine Deneuve ihre mütterliche Kollegin gibt, will sich die rastlose Kamera nicht mit Idolisierungen aufhalten. (Claus Philipp)