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Horst Raimann (1937-2019)

23 Okt 2019

Horst Raimann (1937-2019)

Die Helden eines Filmfestivals bewegen sich oft jenseits der grellen Scheinwerfer, Fotogalerien und Pressemitteilungen. Sie erscheinen weder vor noch auf der Leinwand. Viel eher findet man sie dahinter oder, wie im Fall unseres lieben, im Sommer verstorbenen Kollegen Horst Raimann sind sie der Grund, dass diese Leinwand überhaupt ihren Platz hat und Licht auf sie fallen kann. Als Kinotechniker war er maßgeblich an den technischen Einrichtungen und Arbeitsweisen unzähliger Kinos in Österreich beteiligt.

Bereits 1960 war nicht nur Kirk Douglas Gast bei der Eröffnung des Gartenbaukinos mit „Spartacus“, sondern auch Herr Raimann, der die 70mm-Projektoren im Kino installierte. Als Mitarbeiter der Kinotechnikabteilung von Siemens tauchte er jahrzehntelang auf, wenn man die Störnummer anrief. Zusammen mit Herrn Kamba bereiste er so die Kinos vor allem im Osten und Süden des Landes. Mit großer Brille und seinem weiß-grauen Arbeitskittel erschien er stets ruhig und gelassen. Man konnte sich sicher sein, dass er den Fehler finden, das Problem beheben würde. Er hörte sich alles an, sämtliche Theorien, das Gerede, das Chaos und fand dann den nicht immer naheliegenden Fehlerteufel. So war der Grund für ein unbekanntes Sirren im Ton zwar nicht so kompliziert wie alle dachten, aber darauf kommen muss man trotzdem. Herr Raimann wusste, dass ein eingeschalteter Kühlschrank das Geräusch verursachte.

Selbst in Situationen großer Panik blieb er ein Gentleman. Herr Raimann war zeitlebens per Sie mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Selbst als diese längst zu Freunden wurden. Das hatte nichts mit Distanz oder formellen Zwängen zu tun, sondern war Ausdruck einer Wertschätzung. Seine herausragenden technischen Fähigkeiten fehlen uns genauso wie sein besonnener, herzenswarmer Umgang.

Herr Raiman war ein Universalist, einer der letzten seiner Branche. Als gelernter Elektriker war er von der Bestuhlung bis zur Installation von Vorhangsystemen an sämtlichen Einrichtungen eines Kinos beteiligt. Ganz zu Schweigen von seinen Fähigkeiten als Judoka, die ihm sogar internationale Erfolge einheimsten und eine Bekanntschaft mit Peter Kubelka jenseits des Kinos. Denn beide lernten sich vor ihrer Kinozeit im Judoverein in Wien kennen.

Als Herr Raimann Ende der 1990er in Pension ging, konnten wir ihn überzeugen mit uns zu arbeiten. Es ist schwer in Worte zu fassen, was wir als Viennale von Herrn Raimann lernen durften, wie er unsere Arbeit maßgeblich prägte. Er kannte die Kinos in- und auswendig. Bis heute finden wir seine Handschrift in den Technikräumen. Mit Klebeband markierte Drähte, gekritzelte Aufzeichnungen, Hinweise, Pläne. Herr Raimann kannte jede Schraube in den Projektoren persönlich. Das Meiste hatte er selbst installiert. Die Arbeit bei der Viennale war dennoch eine Umstellung für ihn, denn ging es beim Stördienst um effektive Fehlerbehebung gab es beim Festival die Möglichkeit im Detail an der Optimierung einer Projektion zu arbeiten. Neben den Projektoren sitzend, ins Walkie-Talkie sprechend, meisterte er auch diese Umstellung mit Bravour.

Wir hatten die große Freude diesen Menschen kennenzulernen. Selbst Vater von drei Kinder erzählte er uns viel aus seinem bewegten, nicht immer einfachen Leben. Er wurde auch für unsere Viennale-Familie eine Vaterfigur. Einer der letzten seiner Prägung ist sein technisches Wissen unersetzbar. Mit digitaler Technologie wollte Herr Raimann dagegen nicht mehr anfangen. Er war ein Mann von Prinzipien. „Spüren Sie nichts in der Magengrube?“, fragte er stets pünktlich zu Mittag. So behielt er auch inmitten des Festivalchaos einen klaren Kopf.

Den Eröffnungsreden von Hans Hurch lauschte er immer aus dem Projektionsraum. Dort, wo er sich am wohlsten fühlte. Einmal hatte Herr Raimann aber doch einen Auftritt im Rampenlicht. Im vergangenen Jahr war er zur Premiere von Paul Rosdys Kino „Kino Wien Film“ im Stadtkino im Künstlerhaus. Im Film kann man ihn bei seiner Arbeit sehen. Eine Arbeit, die es verdient hat, auch vor und auf der Leinwand gewürdigt zu werden. Wir erlebten seinen letzten Viennale-Auftritt im Publikum und werden uns immer an diesen wunderbaren Menschen, der das Kino ermöglichte, erinnern.

Gartenbaukino - Horst Raimann from ROSDY FILM KG on Vimeo.