DIE MUSIK SEID IHR, FREUNDE!

Äußerungen der Filmemacher, Darsteller und Techniker, Aufnahmen von den Mustervorführungen in verschiedenen Hotelhallen, Dokumente wie die vielfarbig markierten Textseiten aus der Probenphase und Ansichten des gegenwärtigen Sizilien lassen die verschiedenen Schichten dieser besonderen Art der Filmproduktion sichtbar werden, teilen etwas mit von den ästhetischen und politischen Traditionen, in denen die Filmemacher stehen, und machen klar, was für eine Herausfordenung ihr Werk an den zeitgenössischen Filmbetrieb und die industrialisierte Bildproduktion darstellt, sofern diese noch beanspruchen, einen Bezug zur Wirklichkeit zu haben. Die Reportage schickt den Betrachter auf die Reise auf den Spuren eines jungen Mannes aus den Großstädten im Norden nach Sizilien, in das Land seiner Kindheit. Der Roman Conversazione in Sicilia des Schriftstellers Elio Vittorini aus dem Jahr 1938 handelt von den Gesprächen dieser Fahrt. Die Filmemacher haben den materiellen Kern des Textes freigelegt: die in Rede und Gegenrede, in Frage und Erwiderung sich aktualisierende Alltagserfahrung der sizilianischen Landbevölkerung, der Austausch über die elementaren Dinge: Essen und Hungerleiden, Arbeiten, Streiken, Denunzieren und Fremdgehen, Kindergebären, Glauben und Sterben. Der Autor - selber aktiv in der Resistenza und Mitglied des Partito Comunista Italiano - schuf Figuren, die für seine Zeitgenossen zu erkennen waren als Allegorien des Widerstands. Mit dem Zug geht es von Messina entlang der Ost-Küste bis Siracusa, von dort aus ins Landesinnere bis nach Grammichele, dem Wohnort der Mutter. Auf dieser Reise werden auch die Stationen der Werkentstehung thematisiert, die den  Dreharbeiten auf Sizilien vorangingen: die mehrjährige Zeitspanne der wiederkehrenden Auseinandersetzung mit dem Roman bis zur verbindlichen Auswahl der Textstellen für das Drehbuch 1992, die zwei Monate minutiöser Proben und Wiederholungen mit zehn Frauen und Männern sizilianischer Herkunft im Frühjahr 1998 in Buti, in deren Verlauf der Text in eine Melodie verwandelt wurde, und die Textseiten in eine Partitur, in der die Länge jeder Atempause und jedes Klangelement festgehalten sind, die drei Theateraufführungen am Ende der Probenzeit und  schließlich die unmittelbar vorhergehenden Innenaufnahmen in der Küche eines Bauernhauses in Buti. (Andreas Teuchert)