Das Kino des Jacques Rivette

Noroît

Nordwestwind
Jacques Rivette
FRA 1976
145 min
V'02

Mit Anklängen an ein elisabethanisches Rachedrama, «The Revengers Tragedie» von Cyril Tourneur, und an Hollywood-Piratenfilme entwickelt der Film eine Phantasiewelt, in der sich der Kampf zwischen einer Rächerin und einer Piratenfürstin bis zu einem makabren Tanzduell steigert. Giulia, Tochter der Sonne, regiert über einen glanzvollen Hof in einem mittelalterlich-romantischen Schloss am Ufer des Ozeans. Es erscheint Morag, die den Tod ihres Bruders Shane rächen will, der von der Giulia-Bande getötet wurde. Morags Verbündete Erika ist die Vertraute Giulias geworden. Giulia hat als Liebhaber Jacob, Doppelgänger von Shane, der ihr bei Piratenzügen hilft. Indem sie sich magischer Kräfte bedient, gewinnt Morag das Vertrauen des Hofes um Giulia, stachelt ihren Ehrgeiz an und nährt Rivalitäten. Schließlich gelingt es ihr, den Hof in zwei Clans zu spalten, zwischen denen sie Duelle und Hinterhalte anstiftet, bis sie sich schließlich allein Giulia gegenübersieht, um ihre Rache zu vollenden. Der Höhepunkt des Films ist eine Maskenballszene, in der sich alle gegenseitig umbringen. Wenn jeder von Rivettes Filmen als ein entscheidender Bruch und ebenso als eine deutlich erkennbare Weiterentwicklung gesehen werden kann, so wird dies im dritten Teil seines Projekts Scènes de la vie parallèle noch um einiges deutlicher. Noroît , der kurz nach der Aufführung von Duelle, dem zweiten Teil des Zyklus, seine Premiere beim Londoner Filmfestival feierte, hat bereits jene extreme Art von Neuorientierung verursacht, die schon Out 1 Spectre nach Lamour fou oder Duelle nach Cèline et Julie vont en bateau auslösten. Doch ähnlich wie bei dem gnadenlosen Chuck-a-Luck-Spiel in Fritz Langs Rancho Notorious , der mit jedem Drehen des Glücksrads neue Spieler gewinnt und alte vertreibt, basierte auch Jacques Rivettes prekäres Spiel immer schon auf enormer Risikofreudigkeit nur wird es, im Gegensatz zu dieser amerikanischen Variante von Roulette, nicht unbedingt gespielt, um zu gewinnen. Noroît demonstriert dies erneut mit erschreckender Klarheit und begibt sich dabei in ein tückisches, kaleidoskopisches Niemandsland, wo die Gedanken an eine Beurteilung im herkömmlichen Sinn sowohl aus der Sicht des Regisseurs als auch aus der des Rezensenten oder der Zuschauer einfach unangebracht scheinen. Die altmodische Bezeichnung für dieses Reich lautet «Experiment».

Credits
  • Bernadette Lafont - Giulia
  • Geraldine Chaplin - Morag
  • Kika Markham - Erika
  • Babette Lamy - Régine
  • Humbert Balsan - Jacob
  • Elisabeth Medveczky - Elisa
  • Danièle Rosencranz - Célia
  • Marilù Parolini
  • Eduardo de Gregorio
  • Jacques Rivette based on the play «The Revenger’s Tragedy» by Cyril Tourneur
  • William Lubtchansky
  • Pierre Gamet
  • Nicole Lubtchansky
  • Jean Cohen-Solal
  • Robert Cohen-Solal
  • Daniel Ponsard
  • Eric Simon
  • Renée Renard
Sunchild Productions, Les Productions Jacques Roitfeld
Tamasa Distributions
DCP
col
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