S21, LA MACHINE DE MORT KHMÈRE ROUGE

Außer dass Pol Pot in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, erlebte Kambodscha keine öffentliche juristische Auseinandersetzung mit dem Machtmissbrauch des Khmer-Regimes. Überlebende und Folterknechte, Unschuldige und kriminelle Ideologen leben stillschweigend nebeneinander, was das Land zu einem Gespensterreservat macht. Vann Nath, einer der beiden Überlebenden, die hier berichten, sagt es: Keine einzige Bitte um Vergebung ist öffentlich ausgesprochen worden. Auf dieser Unterlassung beruht die Einzigartigkeit von Rithy Panhs Unternehmung, und sein Mut. Denn nicht ein einziges Mal erhebt der Film den anmaßenden Anspruch, diese Leere in juristischer Hinsicht zu füllen. Diese Zurückhaltung, was die juristischen Mechanismen betrifft, verleiht ihm seine Kraft und seine Form: Die Zeugen werden nie von der Kamera befragt, sie werden nicht einmal – ein besonders wichtiges Merkmal – in die Position einer Befragung gebracht: kein Gesicht zur Kamera, kein Austausch mit dem Filmemacher, keine nähere Bezeichnung der Protagonisten. Kurz, keine Gerichtsvorladung, nicht der Schatten eines Gerichts. DieWorte sind niemals einem Ort der Aufbewahrung, der die einzige «Erinnerung» darstellen würde, entrissen, sondern existieren in der Situation, ausgesprochen hier und jetzt. S21 bemüht sich weniger darum, den einen oder anderen Protagonisten zum Reden zu bringen, als vielmehr darum, ihre Worte und Gesten, die Orte und Gegenstände ineinanderzufügen: diese Worte in einen Kontext zu stellen. Die Möglichkeit eines solchen Kontexts. (Jean-Pierre Rehm, «Cahiers du cinéma» 587/2004, Stadtkino-Programm Nr. 411)