Proletarisches Kino

PROLETARISCHES KINO: ERÖFFNUNG. PROGRAMM 01 - KAMPF 1

110 min
V'07

Kampf, ein Wort das sowohl Haltung als auch Strategie voraussetzt, besitzt in der Zwischenkriegszeit Tagesaktualität. Die alte Herrschaftsarchitektur ist mit dem Ende des Ersten Weltkriegs endgültig zerfallen. Die junge Republik ist dabei, sich zunehmend zu polarisieren. Politische Frontenbildung zeichnet sich ab. Sie verläuft zwischen den Sozialdemokraten und dem bürgerlichen Lager, das ab Oktober 1920 die Regierung stellt; zwischen dem Roten Wien und den klerikal-konservativen Ländern; zwischen den Führern der Sozialdemokraten und der Arbeiterschaft; zwischen den bewaffneten Verbänden der beiden politischen Lager, dem «Republikanischen Schutzbund» und den «Heimwehren». Zudem müssen gesellschaftlich neue Formen der Gemeinschaft erprobt, erfochten, erkämpft werden: Es gilt Bildungseliten abzubauen, soziale Lebensbedingungen zu verbessern, das Verhältnis von Frauen und Männern in eine Waage zu bringen ... Das österreichische Kino nimmt auf diesem Kampfterrain nur am Rande, dafür umso entschiedener Teil. Es gibt fiktive Kommentare zum Kampf um die Vorherrschaft in Fabriken ab (Der Kampf der Gewalten ); es erfindet Geschichten, die das Weiterleben der Kämpfe des Ersten Weltkriegs in der Zivilgesellschaft thematisieren (Namenlose Helden ); es mischt sich erfinderisch in den Wahlkampf ein (Wiener Kinder ) und unterstützt dokumentarisch die Frauenbewegung (Der internationale Frauentag in Wien ); es zeichnet und bewahrt Bilder von großen und historisch weit reichenden Krisen, Konflikt- und Kampfherden der Ersten Republik auf. In diesem Programm liegt der Schwerpunkt dazu im Jahr 1934. Die Wegmarken lauten: Ausschaltung des Nationalrates, Bürgerkrieg, Verbot der Sozialdemokratie, Beschneidung der Bürgerrechte, totalitäre Staatsform. Die Sichtweise dieser Ereignisse bleibt dabei nicht auf die österreichische Binnenperspektive beschränkt. Im Zuge der Forschungsarbeiten zum «Proletarischen Kino in Österreich» wurden in russischen Filmarchiven Kinojournale gefunden, die sich den Folgen des 12. Februar 1934 widmen. Diese raren Aufnahmen ( Sojusjournal 8, 12, 16, 24 ) werden nun erstmals in Österreich zur Aufführung gelangen. Als inhaltliche Eigenwilligkeit dieses Programms sticht Der Kampf der Gewalten hervor. Der Film aus dem Jahr 1919 betreibt soziale Konfliktbereinigung letztendlich auf dem Rücken der Arbeiterschaft. Am Ende steht nicht Selbstbestimmung, bestenfalls Reform, schlimmstens Reaktion. Aus filmhistorischer Sicht ragt Namenlose Helden heraus. Er galt als verschollen, erst kürzlich wurden Fragmente im Niederländischen Filmmuseum wiederentdeckt. Ein Fund, der einer Sensation gleichkommt, denn inhaltlich schonungslos und formal avanciert werden erstmals Schrecken und Auswirkungen des Ersten Weltkriegs aus der Sicht einer Arbeiterfamilie gezeigt. Ideologisch am meisten kampfbereit gibt sich das Sojusjournal Nr. 24/523 . Kinder der österreichischen Schutzbündler treffen nach den Februarkämpfen 1934 am Weißrussischen Bahnhof in Moskau ein. Auf den Salut ihrer Gastgeber erwidern sie: «Die Feinde werden für die Leiden unserer Väter zahlen müssen.»

Der Kampf der Gewalten (Ö 1919), Namenlose Helden (Ö 1924), Wiener Kinder (Ö 1927), Der internationale Frauentag in Wien 1931 (Ö 1931), Die sozialdemokratische Partei vor dem Verbot (Ö 1933), Die Februarrevolte 1934 in Wien (Ö 1934), Bilder von der Niederringung des marxistischen Putschversuches in Wien (Ö1934), Sojuskino Journal Nr. 8 (UdSSR 1934), 30. April 1934. Der österreichische Nationalrat hält seine letzte Sitzung gemäß der republikanischen Verfassung vom Jahre 1920 ab (Ö 1934), Sojuskino Journal Nr. 12/511 (UdSSR 1934), Sojuskino Journal Nr. 12 (UdSSR 1934), Sojuskino Journal Nr. 16/515 (UdSSR 1934), Sojuskino Journal Nr. 24/523 (UdSSR 1934)

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